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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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des Schwurs hatte sie nie Probleme gehabt.
    Patienten aufzuschneiden war ihr zuwider. Ihre Entscheidung für die Psychiatrie basierte auf ihrem Widerwillen vor den blutigeren Bereichen der Medizin. Ihr Vater, ein Chirurg, war darüber nur leicht enttäuscht gewesen. Wenigstens war sie ja irgendwie doch ein Doktor. Sie hatte ihr Klinikum in einer Rehabilitationsklinik abgeleistet, in der Filmstars und Rockidole verantwortliches Handeln lernten, indem man ihnen beibrachte, ihr Bett selbst zu machen. Derweil hatte Val Valiumpillen ausgeteilt, wie eine Stewardeß Erdnüsse herumreicht. Der eine Flügel des Sunrise Center war Drogenpatienten vorbehalten, während im anderen Patienten mit Eßstörungen behandelt wurden. Valerie waren die Eßstörungen lieber. »Du hast nicht gelebt, bevor du nicht einem intubierten Supermodel eine Minestrone reingewürgt hast«, erklärte sie ihrem Vater.
    »In welche Häuser ich auch eintrete, stets will ich eintreten zu Nutz und Frommen der Kranken, mich fernhalten von willkürlichem Unrecht und jeder anderen Schädigung, insbesondere von Werken der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.«
    Nun, sich der Wollust zu enthalten war nicht weiter problematisch gewesen, oder? Sie hatte jedenfalls keinen Sex mehr gehabt, seit Richard vor fünf Jahren ausgezogen war. Richard war es gewesen, der ihr die Büste des Hippokrates geschenkt hatte. Es sollte ein Witz sein, so hatte er erklärt, aber sie hatte ihn dennoch auf ihren Schreibtisch gestellt. Im Jahr zuvor hatte Valerie ihm eine Statue der blinden Justitia in Strapsen und Netzstrümpfen geschenkt, damit er sie in seiner Anwaltskanzlei aufstellte. Richard war der Grund, warum Valerie überhaupt hier gelandet war. Er hatte Angebote von mehreren großen
    Kanzleien ausgeschlagen, um endlich seinen Traum als Anwalt auf dem Land zu leben, der sich mit Vaterschaftsfragen unter Schweinen oder streitigen Pensionsansprüchen herumzuschlagen hatte. Er wollte ein Atticus Finch sein, ein Pudd'nhead Wilson, jemand aus dem Repertoire von Jimmy Stewart oder Henry Fonda, dessen Honorar in frischgebackenem Brot oder einem Korb Avocados bestand. Wobei er zumindest letzteres durchaus geschafft hatte. Vals Praxis hatte sie den Großteil ihrer gemeinsamen Zeit als Ehepaar über Wasser gehalten. Und hätte sie sich damals scheiden lassen, so müßte sie ihm jetzt Unterhalt zahlen.
    Ein Anwalt der Landbevölkerung - allerdings. Er hatte sich von ihr getrennt und war nach Sacramento gezogen, um dort bei der kalifornischen Küstenschutzkommission als Lobbyist für ein Konsortium zu arbeiten, das mit der Anlage von Golfplätzen befaßt war. Sein Job war es, die Kommission davon zu überzeugen, daß das größte Vergnügen von Seeottern und See-Elefanten darin bestand, japanischen Geschäftsleuten dabei zuzusehen, wie sie Golfbälle in den Pazifik droschen, und daß die Natur am meisten davon profitierte, wenn die gesamte Küste von San Francisco bis Santa Barbara in einen einzigen Fairway umgewandelt würde (vielleicht ja mit Sandbunkern bei den Dünen von Pismo und Carmel). Er trug eine Taschenuhr an einer goldenen Kette mit einem Etui aus Jade, das die Form des vom Aussterben bedrohten braunen Pelikans hatte. Er spielte den Schlaumeiern in Flanell den Anwalt vom Lande vor, der im Schaukelstuhl auf seiner Veranda saß, und kassierte auf diese Weise mehr als zweihundert Riesen im Jahr. Er lebte mit einer seiner Sekretärinnen zusammen, einer Stanford-Absolventin ohne Fehl und Tadel, dafür aber mit Augen wie ein Reh, Haaren wie ein Surfergirl und einer Figur, die der Schwerkraft spottete. Richard hatte Val dem Mädchen vorgestellt (Ashley oder Brie oder Jordan), und die Begegnung war so kultiviert und vernünftig abgelaufen wie nur irgendwas. Als er sie kurz darauf anrief, um mit ihr eine steuerliche Angelegenheit zu klären, hatte sie ihn gefragt: »Nach welchen Kriterien hast du denn die Kandidatinnen ausgesucht, Richard? Wer's am schnellsten schafft, deinen Lexus durch Blasen in Gang zu bringen?«
    »Vielleicht sollten wir uns überlegen, daß wir unsere Trennung offiziell machen«, war Richards Antwort gewesen, worauf Val den Hörer auf die Gabel geknallt hatte.
    Wenn ihr schon eine glückliche Ehe versagt war, dann wollte sie wenigstens alles andere haben. Und so hatte sie sich Termine aufgehalst, bis sich ihre Patienten die Klinke förmlich in die Hand gaben, ihnen die entsprechenden Medikamente verschrieben und anschließend ihr

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