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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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wären Idealisten.«
    »Kratzen Sie bei einem Zyniker mal ein bißchen am Lack, und zum Vorschein kommt ein enttäuschter Romantiker«, sagte Estelle.
    »Das sind Sie also?« fragte Theo. »Ein enttäuschter Romantiker?«
    »Der einzige Mann, den ich je geliebt habe, ist tot.«
    »Das tut mir leid«, sagte Theo.
    »Mir auch.« Sie leerte ihren Becher Wein.
    »Ganz langsam, Estelle. Davon wird's auch nicht besser.«
    »Ich bin keine Trinkerin. Ich mußte nur mal raus.«
    Vom Pooltisch drangen Schreie herüber. »Mein Typ wird verlangt«, sagte Theo. »Entschuldigen Sie mich.« Er bahnte sich einen Weg durch die Menge zu der Stelle, wo zwei Männer sich in Positur stellten, um sich zu prügeln.
    Estelle gab Mavis ein Zeichen, daß sie nachschenken sollte, und drehte sich wieder um, um Theo bei seinen Bemühungen, Frieden zu stiften, zuzuschauen. Catfish Jefferson sang ein trauriges Lied über ein fieses altes Weib, das ihn fertigmachte. Das paßt doch auf mich, dachte Estelle. Hier steht sie - ein fieses, nutzloses, altes Weib.
    Die medizinische Selbstversorgung der Patienten trug gegen Mitternacht Früchte. Die meisten der Gäste im Slug hatten sich abgeregt und klatschten oder jaulten zu Catfishs Blues. Etliche hatten schlappgemacht und waren nach Hause gegangen. Bei Ladenschluß waren nur noch fünf Leute im Slug, und Mavis rieb sich beim Anblick der prall gefüllten Kasse kichernd die
    Hände. Catfish Jefferson legte seine National Steel aus der Hand und packte das sieben Liter Einmachglas mit seinem Trinkgeld. Dollarnoten quollen über den Rand, Kleingeld schwappte am Boden, und hier und dort machte sich die eine oder andere Fünf- oder Zehn-Dollarnote breit. Sogar ein Zwanziger war darunter, und wie ein kleiner Junge, der nach dem Spielzeug in der Cornflakespackung sucht, bemühte sich Catfish, ihn herauszufischen. Er trug das Einmachglas zur Bar und wuchtete es geräuschvoll neben Estelle auf den Tresen, wo diese ihr trunkenes Haupt zur Ruhe gebettet hatte.
    »Hey, Baby«, sagte Catfish. »Stehst du auf Blues?«
    Auf der Suche nach dem Ursprung der Frage ließ Estelle ihren Blick durch die Luft schweifen, gerade so, als hätte eine der Motten, die um die Lampen hinter der Bar herumschwirrten, sie gestellt. Schließlich geriet der Bluesman in ihr Blickfeld, und sie sagte: »Sie sind sehr gut. Ich wollte eigentlich schon gehen, aber die Musik hat mir gefallen.«
    »Na ja, und jetzt sind Sie immer noch da«, sagte Catfish. »Werfen Sie da mal 'n Blick drauf.« Er schüttelte das Einmachglas. »Hier hab ich knapp zweihundert Dollar, und das miese, alte Weib da schuldet mir mindestens noch mal soviel. Was würden Sie sagen, wenn wir uns noch 'ne Flasche schnappen, meine Gitarre nehmen und runter zum Strand gehen und noch 'ne Party feiern?«
    »Ich gehe besser nach Hause«, sagte Estelle. »Ich muß morgen malen.«
    »Sie sind Malerin? Ist mir noch nie eine begegnet. Wir wär's, wenn wir zum Strand gehen und uns den Sonnenaufgang ansehen?«
    »Falsche Küste«, sagte Estelle. »Die Sonne geht über den Bergen auf.«
    Catfish lachte. »Sehen Sie, da haben Sie mir schon mal 'ne ziemliche Warterei erspart. Gehen wir doch einfach runter zum Strand.«
    »Nein, ich kann nicht.«
    »Weil ich schwarz bin, stimmt's?«
    »Nein.«
    »Weil ich alt bin, deswegen?«
    »Nein.«
    »Weil ich 'ne Glatze hab. Sie mögen keine alten Männer mit Glatze, stimmt's?«
    »Nein«, sagte Estelle.
    »Weil ich Musiker bin. Sie haben gehört, Musiker haben kein Verantwortungsgefühl ?«
    »Nein.«
    »Weil ich ein Riesending in der Hose habe?«
    »Nein!« sagte Estelle.
    Wieder lachte Catfish. »Würden Sie mir 'n Gefallen tun und es trotzdem überall rumerzählen?«
    »Woher soll ich denn wissen, was Sie in der Hose haben?«
    »Na ja«, sagte Catfish und schwieg einen Moment lang grinsend. »Sie könnten mit mir runter zum Strand gehen.«
    »Sie sind ein schmutziger, verdorbener alter Mann, der's einfach nicht lassen kann, stimmt's, Mr. Jefferson?« sagte Estelle.
    Catfish senkte den Kopf. »Das stimmt voll und ganz, Miss. Ich bin ganz und gar schmutzig und verdorben, und ich kann's einfach nicht lassen. Und ich bin zu alt, um irgendwelchen Ärger zu machen. Ich geb's zu.« Er streckte ihr seine lange, schlanke Hand entgegen. »Gehen wir runter zum Strand und feiern 'ne Party.«
    Estelle fühlte sich, als würde der Teufel persönlich sie becircen. Unter dieser staubigen, altmodischen Schale lauerte etwas, das Sanftheit und Vibrationen aussandte.

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