Der Lustmolch
Bluesman.«
»Allerdings«, sagte sie und rollte sich auf ihn. Und dort blieb sie mit einigen Unterbrechungen bis zum Morgengrauen.
-9-
Daß dies ein spitzenmäßiger Tag werden würde, wußte Mikey »der Sammler« Plotznik in dem Augenblick, als er in die Stadt gerollt kam und sah, daß die Texaco-Tankstelle in die Luft geflogen und im Umkreis von vierzig Metern alles verkohlt war. Es war jammerschade, daß es die Burger-Bude ebenfalls erwischt hatte, deren scharfe Pommes ihm bestimmt fehlen würden, aber was soll's, schließlich bietet sich einem nicht jeden Tag der Anblick einer lokalen Sehenswürdigkeit, die in Schutt und Asche liegt. Das Feuer war mittlerweile gelöscht, doch noch immer waren mehrere Feuerwehrleute im Einsatz, die das Trümmerfeld inspizierten. Der Sammler winkte ihnen im Vorbeifahren zu. Ihre Erwiderung seines Grußes fiel etwas zaghaft aus, denn dem Sammler eilte ein gewisser Ruf voraus, der sie nervös machte.
Heute würde sein großer Tag werden, dachte Mikey. Die Texaco-Tankstelle war ein Omen, der Stern am Himmel über dem Traum seines Lebens. Heute würde er Molly Michon nackt erwischen, und wenn er es geschafft hatte (und mit dem Beweis im Gepäck zurückkehrte), würde sein Ruf wahrhaft mythische Dimensionen annehmen. Er tätschelte die Wegwerfkamera in der Bauchtasche seines Kapuzenshirts. O ja, er würde Beweise haben für seine Geschichte. Sie würden ihm glauben und in Ehrfurcht vor ihm niederknien.
Zu diesem Zeitpunkt seines Lebens galt das Interesse des Sammlers eigentlich eher Explosionen als nackten Frauen. Er war erst zehn Jahre alt, und es würde noch etwa zwei Jahre dauern, bis sich sein Interesse auf Mädchen verlagerte. Freud hat es unterlassen, eine bestimmte Entwicklungsstufe als »Phase pyrotechnischer Faszination« zu bezeichnen - was vermutlich daran lag, daß im Wien des neunzehnten Jahrhunderts Wegwerffeuerzeuge nicht im Überfluß vorhanden waren. Doch zehnjährige Jungs jagen nun mal Sachen in die Luft. Das ist halt ihre Art. Heute jedoch wurde Mikey von einem ebenso ungewohnten wie eigenartigen Gefühl befallen, ein Gefühl, für das er keine Bezeichnung wußte, doch wäre ihm das passende Wort eingefallen, so hätte es »Geilheit« gelautet. Während er also auf seinen Rollerblades durch den Ort schoß und die Los Angeles Times in die Sträucher und Rinnsteine vor den Geschäften an der Cypress Street schleuderte, spürte er eine gewisse Enge in seinen Shorts, die er bisher immer nur mit dem allmorgendlich wiederkehrenden starken Blasendruck assoziiert hatte. Heute hingegen war es ein Zeichen dafür, daß er unbedingt die durchgeknallte Lady in unbekleidetem Zustand zu Gesicht bekommen mußte.
Zeitungsjungen sind die Träger präadoleszenter Mythen. Auf jeder Route gibt es ein Spukhaus, einen Hund, der kleine Kinder frißt, eine alte Dame, die einem zwanzig Dollar Trinkgeld gibt, und eine Frau, die immer nackt zur Tür kommt. Dergleichen war Mikey zwar noch nie begegnet oder widerfahren, doch hinderte ihn dies nicht daran, seinen Kumpels in der Schule wüste Geschichten über solcherlei Ereignisse aufzutischen. Heute würde er einen Beweis mitbringen, er spürte es in seinen Lenden.
Er rollte zum Fly Rod Trailer Park hinunter, schmiß eine Zeitung in den Rosenstrauch vor dem Trailer von Mrs. Nunez und zischte dann geradewegs zum Haus der durchgeknallten Lady. Aus ihren Fenstern drang ein bläulicher Schimmer - der Fernseher. Sie war also zu Hause, und sie war wach. Jaaa!
Zwei Türen vor ihrer blieb er stehen und bemerkte, daß neben dem Trailer der Lady ein neuer Trailer aufgestellt worden war. Vielleicht ein neuer Kunde? Warum sollte man's nicht mal probieren? Die Lady bekam keine Zeitung, von daher war seine Entschuldigung, daß er an ihre Tür klopfte, der Versuch, ihr ein Abonnement anzudrehen. Das konnte er ja schon gleich mal bei diesen neuen Leuten hier üben. Als er auf die Tür des neuen Trailers zurollte, gingen die Lichter in den beiden Fenstern an der Frontseite an. Yeah! Es war jemand zu Hause. Seltsame Vorhänge hatten die allerdings - sie sahen aus wie Katzenaugen.
Durch einen Spalt im Vorhang beobachtete Molly, wie der Junge die Einfahrt zum Trailer-Park entlanggerollt kam. Sie mochte Kinder, aber nicht dieses Kind. Mindestens einmal pro Woche klopfte er an ihre Tür und versuchte, ihr ein Zeitungsabonnement anzudrehen, und genausooft erklärte sie ihm, daß er sich aus dem Staub machen und nie mehr wiederkommen sollte. Manchmal
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