Der Lustmolch
(Es gab in jedem ihrer Filme in den ersten Minuten eine Szene in der Dusche, völlig ungeachtet der Tatsache, daß Kendra auf einem Planeten lebte, wo es kaum Wasser gab. Um dieses Problem zu lösen, war ein junger Regisseur auf die glorreiche Idee verfallen, »antiradioaktiven Schaum« in der Duschszene zu verwenden, und Molly hatte sich fünf Stunden lang von einem Gebläse außerhalb des Blickfelds Waschmittelschaum um die Ohren pusten lassen müssen. Den gesamten Rest des Bildes hatte sie in einem Beduinenburnus absolviert, um den Ausschlag zu verdecken, der sie am ganzen Körper befallen hatte.)
»Kunstfilm«, sagte Molly, die auf dem Boden vor dem Fernseher saß und selbigen zum fünfzigsten Mal mit Glasreiniger einnebelte. »Damals hätte ich glatt in Paris als Model Karriere machen können.«
»Nie im Leben«, sagte der Erzähler. Er war immer noch da. »Viel zu mager. Damals waren fette Tussis angesagt.«
»Mit dir rede ich überhaupt nicht.«
»Dieser kleine Ausflug nach Paris hat dich bis jetzt eine halbe Flasche Glasreiniger gekostet.«
»Ist doch 'ne billige Art zu reisen«, sagte Molly. Dann stand sie aber trotzdem auf, nahm zwei Gläser, die auf dem Fernseher standen und wollte sie gerade in die Küche tragen, als es an der Tür klingelte.
Sie hielt die Gläser am Rand in einer Hand und öffnete die Tür. Draußen auf ihrer Treppe standen zwei Frauen in Kostümen; sie trugen Schuhe mit hohen Absätzen und hatten haarspraystarrende Hartfaserfrisuren. Sie waren beide Anfang dreißig und blond, und ihr Lächeln war so steif, daß es entweder auf Unaufrichtigkeit oder Drogenmißbrauch hindeutete. Molly war sich allerdings nicht im klaren, was von beidem zutraf.
»Die Avon-Beraterin?« fragte sie.
»Nein«, sagte die vordere Blondine und kicherte. »Mein Name ist Marge Whitfield, und das ist Katie Marschall. Wir kommen von der Vereinigung für eine Moralische Gesellschaft, und wir möchten uns mit Ihnen über unseren Feldzug zur Wiedereinführung des Schulgebets unterhalten. Ich hoffe, wir kommen Ihnen nicht ungelegen.« Katie trug Pink, Marge Pastellblau.
»Ich bin Molly Michon. Ich habe nur gerade ein bißchen aufgeräumt.« Molly hielt die beiden Gläser in die Höhe. »Kommen Sie doch rein.«
Die beiden Frauen traten ein und blieben in der Tür stehen, während Molly die Gläser in der Spüle abstellte. »Wissen Sie, es ist schon interessant«, sagte Molly, »wenn man zwei Gläser hat, und man schüttet Cola Light in das eine und normale Cola in das andere, und dann läßt man das Ganze, sagen wir mal, sechs Monate stehen, dann wächst auf dem Glas mit der normalen Cola so 'n grünes Zeug, aber die Cola Light ist noch so gut wie frisch.«
Molly kehrte ins Wohnzimmer zurück. »Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?«
»Nein, danke«, summte Marge zur Erwiderung. Es klang wie das Mantra eines Roboters. Sie und Katie starrten auf den Bildschirm, wo Molly saß und nackt in der Bewegung eingefroren war. Molly rauschte an den beiden vorbei und schaltete den Fernseher aus. »Entschuldigung, das ist ein Kunstfilm, den ich mal in Paris gemacht habe, als ich noch jünger war. Setzen Sie sich doch.«
Die beiden Frauen setzten sich nebeneinander auf Mollys abgewetzte Couch. Sie hielten ihre Knie so fest zusammengepreßt, daß Diamanten dazwischen zu Staub zermahlen worden wären.
»Ihren Lufterfrischer finde ich toll«, sagte Katie in dem Versuch, ihr Entsetzen zu überwinden. »Es riecht so sauber.«
»Danke, das ist Glasreiniger.«
»Das ist ja mal eine tolle Idee«, sagte Marge.
Das ist ja prima, dachte Molly. Ganz normale Leute. Wenn ich in Gegenwart von normalen Leuten nicht aus dem Ruder laufe, ist alles in bester Ordnung. Das hier ist ein prima Training. Sie setzte sich den beiden gegenüber auf den Fußboden. »Sie heißen also Marge. Den Namen hört man ja nur noch in Waschmittelwerbespots. Haben Ihre Eltern viel ferngesehen?«
Marge mußte kichern. »Das ist die Kurzform von Margaret. So hieß meine Großmutter.«
Katie meldete sich zu Wort. »Molly, was uns Sorge bereitet, ist die Tatsache, daß unsere Kinder ohne jegliche geistliche Anleitung aufwachsen. Unsere Vereinigung sammelt Unterschriften zur Wiedereinführung des Schulgebets.«
»Aha«, sagte Molly. »Sie wohnen sicher noch nicht lange hier, oder?«
»Nun ja, das ist richtig. Wir sind beide zusammen mit unseren Ehemännern aus Los Angeles hierhergezogen. Eine Kleinstadt ist einfach besser, wenn man seine Kinder großziehen
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