Der Lustmolch
überall hatten sich Suchtrupps von zwei oder drei Leuten gebildet, die mit Taschenlampen und Handys ausgerüstet die Gegend durchkämmten. Theo hielt bei jedem der Trupps an, erkundigte sich nach dem Stand der Dinge und gab Ratschläge. Als ob er auch nur den blassesten Schimmer gehabt hätte, was er da tat! Wem versuchte er eigentlich etwas vorzumachen? Meistens fand er ja noch nicht mal seine eigenen Autoschlüssel.
In den meisten Wohngegenden von Pine Cove gab es weder Straßenlaternen noch Gehsteige. Die Baumkronen der Kiefern wölbten sich über die Straße wie ein Vorhang, der das Mondlicht verschluckte und in dem sich die Lichtkegel von Theos Scheinwerfern verloren wie in einem Meer von Tinte. Theo stöpselte einen Suchscheinwerfer in die Buchse des Zigarettenanzünders und schwenkte damit über Häuser und unbebaute Grundstücke, doch alles, was er zu sehen bekam, waren zwei Rehe, die sich die Rosensträucher von irgend jemand schmecken ließen. Als er am Strandpark vorbeifuhr, einem Rasengrundstück von der Größe eines Fußballfeldes, das von Zypressen umstanden und gegen den Seewind mit einem zweieinhalb Meter hohen Holzzaun abgeschirmt war, sah er etwas weißlich Leuchtendes, das sich auf einem der Picknicktische bewegte. Er fuhr auf den Parkplatz neben dem Park und richtete die Scheinwerfer des Volvo wie auch den Suchscheinwerfer auf den Tisch.
Ein Pärchen trieb es mitten auf dem Tisch. Was da eben weiß geleuchtet hatte, war der blanke Arsch des Mannes gewesen. Nun drehten sich zwei Gesichter ins Licht des Scheinwerfers, die Augen ebenso weit aufgerissen wie bei den Rehen, die Theo zuvor überrascht hatte. Normalerweise wäre Theo einfach weitergefahren. Für ihn war es nicht ungewöhnlich, Leute »in flagranti« in irgendwelchen Autos auf dem Parkplatz hinter dem Head of the Slug oder entlang des zerklüfteten Küstenstreifens zu ertappen. Aber schließlich war er nicht die Sittenpolizei. Doch die Szene an diesem Abend ging ihm gegen den Strich.
Mittlerweile war schon fast ein ganzer Tag vergangen, ohne daß er sich einen Zug aus seinem Sneaky Pete gegönnt hatte. Und vielleicht war es ja ein Entzugssymptom, dachte er.
Theo stellte den Motor des Volvo ab und stieg, die Taschenlampe in der Hand, aus dem Wagen. Die beiden auf dem Picknicktisch zogen hastig ihre Kleider an, während er auf sie zukam. Sie machten jedoch keinen Versuch zu fliehen. Es gab auch nichts, wo sie hingekonnt hätten, außer über den Zaun. Doch dahinter lag nur ein schmaler Strand, der zu beiden Seiten von Klippen begrenzt war und von eiskalten Wellen überspült wurde.
Auf halbem Wege über den Rasen erkannte Theo die beiden Triebtäter, und er blieb stehen. Die Frau, oder besser das Mädchen, war Betsy Butler, eine der Bedienungen aus H. P.'s Cafe, die im Augenblick einige Mühe hatte, ihren Rock herunterzuziehen, und der Mann - fortgeschrittene Glatzenbildung und eingesunkener Brustkorb - war der vor kurzem verwitwete Joseph Leander. Theo hielt sich noch einmal das Bild von Bess Leander vor Augen, die von einem Wandhaken in einem makellos sauberen Eßzimmer hing.
»Ein bißchen mehr Zurückhaltung wäre vielleicht schon angebracht, oder was denken Sie, Joe?« rief Theo, als er auf die beiden zuging.
»Ähm, es heißt aber Joseph, Constable.«
Theo spürte, wie ihm vor Wut die Kopfhaut zu glühen begann. Von Natur aus war er eigentlich überhaupt kein Mann, der zu Wut oder Zorn neigte, doch die Natur funktionierte in den letzten Tagen auch nicht mehr so wie früher. »Nein, Joseph heißt es nur, wenn Sie Ihren Geschäften nachgehen oder gramgebeugt den Tod Ihrer Frau beklagen. Wenn Sie auf 'nem Picknicktisch im Park ein Mädchen durchrammeln, das halb so alt ist wie Sie, dann heißt es Joe.«
»Ich - wir -, es war alles so schwierig, ich weiß nicht, was in uns gefahren ist, ich meine, in mich. Ich meine ...«
»Sie haben wohl nicht zufällig einen Jungen hier gesehen heute nacht. So ungefähr zehn Jahre alt?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Sie schirmte ihr Gesicht mit einer Hand ab und starrte auf das Gras zu ihren Füßen. Joseph Leander ließ seinen Blick verzweifelt durch den Park schweifen, als ob sich irgendwo in der Dunkelheit wie von Zauberhand eine Falltür auftun könnte. »Nein, ich hab keinen Jungen gesehen.«
Theoretisch hätte Theo die beiden vom Fleck weg wegen unzüchtigen Verhaltens in der Öffentlichkeit verhaften können, doch der damit verbundene Papierkram im Bezirksgefängnis war ihm
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