Der Lustmolch
herum nach hinten.
>Was machst du da?< frag ich.
>Fünfhundert Dollar<, sagt er.
Und ich sehe, wie er den Catfish auf den Rücksitz schleudert. An dem stinkigen Vieh ist gerade mal noch der Kopf dran, so daß Smiley es auch allein schafft, es reinzuschmeißen. Dann macht er einen Satz auf das Trittbrett, und ich schaue mich zu ihm um, doch da wird er einfach aus der Luft weggeschnappt. Zack, weg ist er. Und dann schnappen diese Kiefer noch einmal zu, aber ich hau den ersten Gang rein, und der Wagen schießt los.
Und Smiley ist weg. Weg.
Am nächsten Tag finde ich den Weißen, der angeblich fünfhundert Dollar für den Catfish bezahlt, und er schaut den großen Fischkopf nur an und lacht mir ins Gesicht. Ich sag ihm, ich hätte wegen dem Mistvieh meinen besten Freund verloren, und er soll besser mit dem verdammten Geld rausrücken, doch er lacht nur und geht weg. Da bin ich ihm nach und hab ihm eine gescheuert.
Den alten Fischkopf hab ich mitgebracht vor Gericht, aber geholfen hat's mir auch nix. Der Richter hat mich zu sechs Monaten Knast verdonnert - weil ich einen Weißen geschlagen hab. Zum Gerichtsdiener hat er gesagt: >Schaff Catfish hier raus.<
Seitdem nennt man mich Catfish. Ich hab die Geschichte schon ewig nicht mehr erzählt, aber den Namen hab ich immer noch. Der Blues klebt seitdem förmlich an mir dran, aber ausgezahlt hat es sich für mich nicht. Als ich aus dem Knast kam, war Ida May vor Kummer gestorben, und ich hatte keinen einzigen Freund mehr, der noch am Leben war. Seitdem bin ich immer unterwegs.
Das Ding da draußen am Strand, das dieses Geräusch gemacht hat - das ist sie, und sie ist hinter mir her.«
CATFISH
»Es ist ein Männchen«, sagte Estelle. Sie wußte nicht, was sie sonst sagen sollte.
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es einfach.« Sie nahm seine Hand. »Das mit deinem Freund tut mir leid.«
»Ich wollte nur, daß der Blues ihn anspringt und wir 'ne Schallplatte machen.«
Eine Weile saßen sie einfach nur am Tisch und hielten einander an den Händen. Catfishs Kaffee wurde kalt. Estelle ließ sich die Geschichte durch den Kopf gehen. Es erfüllte sie gleichzeitig mit Schrecken und Erleichterung, daß die Schatten in ihren Bildern nur eine Gestalt hatten. Irgendwie kam ihr Catfishs Geschichte, so phantastisch sie sich auch anhören mochte, bekannt vor.
Sie sagte: »Catfish, hast du jemals Der alte Mann und das Meer von Ernest Hemingway gelesen?«
»Der Typ, der über Stierkämpfe und das Fischen schreibt? Dem bin ich mal über den Weg gelaufen, unten in Florida. Warum?«
»Du bist ihm begegnet?«
»Ja, der alte Mistbock hat meine Geschichte auch nicht geglaubt. Hat erzählt, er angelt auch gerne, aber er glaubt mir kein
Wort. Warum fragst du?«
»Schon gut«, sagte Estelle. »Wenn dieses Ding Menschen frißt, sollten wir es dann vielleicht nicht lieber melden?«
»Ich erzähle den Leuten schon seit fünfzig Jahren von diesem Vieh, aber bis jetzt hat mir noch niemand geglaubt. Alle meinten immer nur, ich war der größte Lügner, der sich je aus dem Delta hervorgewagt hat. Wenn das nicht gewesen wäre, hätte ich heute ein großes Haus und stapelweise Schallplatten. Wenn du den Bullen davon erzählst, bist du im Nu die spinnerte Lady von Pine Cove.«
»So eine haben wir schon.«
»Na ja, der einzige, der aufgefressen wird, bin wohl ich, und wenn ich meinen Job hier verliere, weil es heißt, ich hab 'ne Meise, dann muß ich weiterziehen. Verstehst du, was ich meine?«
Estelle nahm Catfishs Tasse vom Tisch und stellte sie ins Spülbecken. »Du machst dich besser für deinen Auftritt fertig.«
-12-
MOLLY
Um sich von dem Drachen nebenan abzulenken hatte Molly sich ihre Jogginghose übergezogen und angefangen, in ihrem Trailer klar Schiff zu machen. Sie hatte schon drei schwarze Müllsäcke mit den Überresten und Verpackungen von irgendwelchem Junkfood vollgepackt und machte sich gerade bereit, das Leichenfeld verendeter Asseln von ihrem Teppich aufzusaugen, als ihr der Fehler unterlief, den Fernseher mit Glasreiniger zu putzen. Im Videorecorder lief gerade Stahlhart in der Atomwüste - Kendras Rache, und als die feinen Tropfen des Glasreinigers auf den Bildschirm trafen, vergrößerten sie die Leuchtpunkte, so daß das Bild fast wirkte wie ein impressionistisches Gemälde - Seurats Sonntagnachmittag auf der Insel der Grande Warrior Babe sozusagen.
Molly stoppte das Video, als die ebenso überflüssige wie unvermeidliche Szene in der Dusche ins Bild kam.
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