Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
Vom Netzwerk:
sich um eine gelassene, professionelle Haltung, die signalisieren sollte, daß sie die Lage völlig im Griff hatte. »Estelle, ich glaube, wir sollten in bezug auf Ihre Medikamente etwas verändern.«
    »Das Zeug hab ich gar nicht mehr genommen. Mir geht's prima. Catfish sagt, wenn Prozac vor hundert Jahren erfunden worden wäre, hätte es den Blues überhaupt nicht gegeben. Sondern nur jede Menge fröhlicher Leute ohne eine Spur von Seele. Für mich haben die Antidepressiva damals ihren Zweck erfüllt, als Joe gestorben war, aber ich bin nicht sicher, ob ich sie jetzt noch brauche. Ich habe sogar das Gefühl, daß ich wieder malen könnte, wenn ich bei all dem Sex endlich mal dazu komme.«
    Dr. Val zuckte zusammen. »Estelle, was mir vorschwebt, sind keine Antidepressiva, sondern etwas anderes. Offensichtlich machen Sie im Augenblick einige schwerwiegende Veränderungen durch. Ich bin mir nicht sicher, wie wir da am besten vorgehen. Glauben Sie, daß Mr. ... äh ... Catfish etwas dagegen hätte, zusammen mit Ihnen zu einer Sitzung zu kommen?«
    »Kann sein, daß das nicht allzu einfach wird. Er hat nichts übrig für Ihr Mojo.«
    »Mein Mojo?«
    »Nicht Ihr Mojo ganz speziell, sondern Psychiater-Mojo im allgemeinen. Er war mal 'ne Zeitlang in einer Nervenklinik, nachdem das Ungeheuer seinen Freund gefressen hatte. Aber das Mojo von dem Personal dort hat ihm nicht zugesagt.« Estelle fiel auf, daß ihr Vokabular und selbst Ihre Denkweise in den letzten Tagen eine ziemliche Veränderung erfahren hatte, als Folge des Eintauchens in den Blues-Kosmos von Catfish.
    Die Ärztin rieb sich schon wieder die Schläfen. »Estelle, am besten, wir machen einen neuen Termin für morgen oder übermorgen. Sagen Sie Chloe, sie soll Sie noch ans Ende des Tages dranhängen, falls schon alles voll sein sollte. Und versuchen Sie, Ihren Gentleman mitzubringen. Sie können ihm ruhig versichern, daß meine Praxis völlig Mojofrei ist, ja?«
    Estelle erhob sich. »Kann die Kleine denn überhaupt schreiben mit den Grillhandschuhen an ihren Händen?«
    »Das kriegt sie schon irgendwie hin.«
    »Was soll ich denn jetzt machen? Ich will nicht, daß er geht. Aber ich habe das Gefühl, daß ich einen Teil von mir selbst verloren habe, als ich mich verliebt habe. Ich bin glücklich, aber ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich mache mir Sorgen.« Estelle bemerkte, daß sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen, und starrte beschämt auf ihre Schuhe.
    »Darum kümmern wir uns schon, Estelle. Reden wir beim nächsten Mal darüber.«
    »Na gut. Soll ich dem Constable Bescheid sagen wegen dem Seeungeheuer?«
    »Erst mal nicht. Solche Sachen erledigen sich manchmal von selbst.«
    »Danke, Dr. Val. Wir sehen uns dann morgen wieder.«
    »Wiedersehen, Estelle.«
    Estelle verließ das Sprechzimmer und blieb an Chloes Schreibtisch stehen. Das Mädchen war weg, doch aus der Toilette am Ende des Flurs kamen animalische Geräusche. Vielleicht hatte sich ja einer der Grillhandschuhe in ihrem Nasenring verfangen. Das arme Ding. Estelle ging zur Tür der Toilette und klopfte sachte an.
    »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Liebes? Oder brauchen Sie Hilfe?«
    Als Antwort kam ein langgezogenes Stöhnen. »Mir geht's prima. Wirklich prima. O mein Gott!«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja, alles in Ordnung.«
    »Ich sollte für morgen oder übermorgen einen Termin ausmachen. Dr. Riordan hat gesagt, Sie sollen ihn abends noch dranhängen, wenn's sein muß.« Estelle hörte ein dumpfes Pochen aus der Toilette; es klang, als sei ein Medizinschrank heruntergefallen.
    »O wow! Wow! O wow!«
    Anscheinend herrschte einiger Termindruck. »Tut mir leid. Ich lasse Sie jetzt in Ruhe. Seien Sie doch so nett und rufen mich noch mal an, um Bescheid zu sagen, wann es klappt, ja?«
    Als Estelle Valerie Riordans Haus verließ, war sie noch beunruhigter als zuvor, und außerdem fiel ihr auf, daß es schon eine ganze Weile her war - jedenfalls ein halber Tag -, seit sie ihren dünnen Bluesman auf der Matratze gehabt hatte.
    DR. VAL
     
    Val hatte eine Pause zwischen zwei Terminen und somit Zeit, Überlegungen darüber anzustellen, daß es seit ihrem Entschluß, sämtliche Antidepressiva in Pine Cove aus dem Verkehr zu ziehen, in der Stadt zuging wie in einem Hühnerstall und daß das eine vermutlich eine Menge mit dem anderen zu tun hatte. Estelle Boyet war schon immer ein wenig exzentrisch gewesen, doch ihre Exzentrik war Teil ihrer Persönlichkeit als Künstlerin, und Val hatte diesen

Weitere Kostenlose Bücher