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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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wenn sie der Psychologie einen Hieb versetzte. Er hatte sich daran gewöhnt. »Es ist wohl so, dass beide diesen Prozess durchmachen müssen«, sagte er vorsichtig. »Jede auf ihre Weise.«
    »Wie hilfreich!« Imke streckte sich auf dem Bett aus und sah an die vergilbte Decke. Nach den vielen Rosen ringsherum war das die reine Wohltat. »Ihr Seelenvoyeure legt euch nicht gerne fest, wie?«
    »Das Leben besteht nicht aus Schwarz und Weiߟ.« Tilo ignorierte auch den zweiten Hieb. »Das muss ich dir doch nicht erklären.«
    »Stimmt. Musst du nicht.«
    »Irgendein Problem mit Jette?«, fragte er nach einer kleinen Pause.
    »Ein Problem mit der Welt«, antwortete sie. »Ich hab den Eindruck, als befände ich mich ständig am falschen Ort.«
    »Der Lesungskoller, Ike. Das kennst du doch. Du hast ihn jedes Mal.«
    Er hatte Recht. Auf jeder Lesereise fiel ihr irgendwann die Decke auf den Kopf. Sie versuchte, dagegen anzugehen, doch das gelang ihr nur selten. Nicht einmal auf ein spannendes Buch konnte sie sich dann konzentrieren.
    »Ich vermisse dich«, sagte sie leise.
    »Das hoffe ich doch.« Er lachte wieder, zärtlich und frech.
    »Verbringst du ab und zu einen Abend in der Mühle?« Es gefiel ihr, ihn sich in ihren Räumen vorzustellen.
    »Das kann ich deiner Frau Bergerhausen doch nicht antun. Stell dir vor, sie kommt morgens herein, um die Rollläden hochzuziehen, und findet mich in deinem Bett. Der Schlag würde sie treffen.«
    »Solange du allein drin liegst, wohl kaum.« Imke wagte einen Blick auf die Rosentapete. Vielleicht waren die Wirtsleute ja verliebt gewesen, als sie das Hotel eingerichtet hatten.
    »Und? Wie ist es so in der Provinz?«, fragte Tilo.
    »Einsam. Lass mich nach Hause kommen, ja?«
    »Erst wenn du deine letzte Lesung hinter dir hast«, sagte Tilo. »Keinen Tag früher.«
    Sie hatten das so ausgemacht. Wenn Imke aufgeben wollte, sollte er das verhindern. Blödes Spiel.
    »Und jetzt muss ich wieder an die Arbeit.« Er schmatzte einen Kuss ins Telefon.
    Langsam benehmen wir uns wie ein altes Ehepaar, dachte Imke, als sie das Handy weggelegt hatte. Dabei lächelte sie in sich hinein. Es gab Schlimmeres, als mit Tilo alt zu werden.
     
    Mike hatte einen Kleinbus gemietet, um seinen Umzug zu bewerkstelligen. Ilka hatte ihm beim Beladen geholfen, Merle und ich waren in unserer Wohnung geblieben, hatten sein Zimmer noch einmal gründlich sauber gemacht und fassten beim Hochtragen mit an.
    Wir hatten längst Freundschaft mit unserem neuen Mitbewohner geschlossen. Und mit Ilka. Gemeinsam hatten wir den Parkettboden auf Vordermann gebracht, die Wände gestrichen und die Türen und Fensterrahmen geölt. Nicht nur in Caros Zimmer, das jetzt Mike gehörte, sondern in der gesamten Wohnung.
    Die körperliche Arbeit hatte mir gut getan. Sie hatte mich aus meiner Lethargie gezogen und mich von meiner Trauer abgelenkt. Ich hatte wieder Appetit bekommen und ertappte mich dabei, wie ich Melodien trällerte. Das war schon ewig nicht mehr vorgekommen.
    Wir hatten schnell gemerkt, dass Mike ein begnadeter Koch war. Und nicht nur das - es machte ihm sogar Spaߟ, für uns zu kochen. Und so endete jeder Arbeitstag in unserer Küche, wo wir so lange zusammensaߟen und redeten, bis wir uns vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnten.
    Am letzten Tag der Renovierungsarbeiten hatte Ilka ein riesiges Bild an die Wand gemalt, an der Mikes Bett stehen sollte, ein Bauernhaus mit roten Fensterläden in einem Feld voller Sonnenblumen. Am Himmel stand die Sonne und jede Sonnenblume hatte ihr den Kopf zugewandt. Das ganze Zimmer leuchtete.
    »Wahnsinn!« Merle hatte den Blick nicht von dem Bild lösen können. »Sag mal, hast du vor, Kunst zu studieren?«
    »Nie im Leben!« Ilka hatte abwehrend die Hände gehoben. »Alles, wirklich alles, bloߟ nicht Kunst!«
    Eine merkwürdige Reaktion. Mir war, als hätte ich in Ilkas Augen Angst gesehen, Panik beinahe, doch dann hatte sich wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht gelegt, und sie hatte das Thema gewechselt.
    Sie hatte zweifellos Talent. Das Bild erinnerte mich an van Gogh. Natürlich war es nicht wirklich vergleichbar, aber es gab klare Ąhnlichkeiten. Das strahlende Gelb der Blüten, das intensive Licht, das Gleiߟen der Sonne und dann der kräftige, eilige Strich - als wogten die Sonnenblumen im Wind.
    Spätestens in dem Augenblick, als ich vor dem Wandgemälde gestanden hatte, Ilka erwartungsvoll neben mir, ihre Hände und Jeans farbverschmiert, auf ihrer Wange

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