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Der Maedchensammler

Der Maedchensammler

Titel: Der Maedchensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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warum du dich heute Abend so sehr für meine Arbeit interessierst?«
    »Sie interessiert mich immer. Es ist zwar irgendwie unheimlich, aber sie ist ein Teil von dir.«
    »Der unheimliche Teil.«
    »Das sind deine Worte.« Jane grinste. »Das würde ich mich nicht zu sagen trauen. Lucy fliegt also morgen zurück nach Chicago?«
    »Wahrscheinlich.« Eve hob die Brauen. »Ist es wichtig, dass sie bald fertig wird?«
    »Vielleicht. Ich habe mir überlegt …« Nachdenklich betrachtete sie den Schädel. »Wie … fühlt es sich an?«
    »Du meinst, wenn ich ihr Gesicht berühre?« Eve überlegte.
    »Nicht unheimlich. Ich mache das schon so lange, dass es schwierig zu beschreiben ist.«
    »Empfindest du Mitleid?«
    »Ja, und Zorn und Trauer.« Zärtlich berührte sie Lucys Wange. »Und ein ganz starkes Bedürfnis, sie nach Hause zu bringen. Zuhause ist für mich schon immer sehr wichtig gewesen. Es gibt so viele Verlorene.«
    »Das hast du schon oft gesagt. Glaubst du wirklich, dass ihre Seele irgendwo umherwandert und dass sie nach Hause möchte?«
    »Ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass es mir wichtig ist.«
    Sie glättete den Ton an Lucys Stirn. »Jetzt geh schlafen und lass mich arbeiten, sonst werde ich nie fertig.«
    »Okay.« Jane stand auf. »Ich war nur neugierig.«
    »Jane?«
    Sie schaute Eve über die Schulter hinweg an.
    »Warum fragst du das ausgerechnet jetzt?«, wollte Eve wissen.
    »Du hast dich noch nie so eingehend nach meiner Arbeit erkundigt.«

    Jane wandte sich wieder zu ihr um. »Ich bin noch nie so direkt mit der Möglichkeit meines eigenen Todes konfrontiert worden.
    Da macht man sich zwangsläufig Gedanken über das, was uns erwartet.«
    »Vorerst erwartet dich nichts als ein langes, glückliches Leben.«
    »Keine Sorge. Ich werde schon nicht trübsinnig. Ich weiß auch nicht, warum mir das alles in den Sinn gekommen ist. Ich habe da auf dem Sofa gesessen und über was ganz anderes nachgegrübelt, als …« Sie zögerte. »Cira ist auch eine von den Verlorenen. Niemand scheint zu wissen, was mit ihr passiert ist.
    Wahrscheinlich ist sie bei diesem Vulkanausbruch ums Leben gekommen.«
    »Das war vor zweitausend Jahren, Jane.«
    »Macht das einen Unterschied? Verloren ist verloren.«
    »Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Es hat dann nur nicht mehr so etwas Persönliches.«
    »Da bin ich anderer Meinung.« Sie hob eine Hand an die Wange und befühlte ihre Schläfe. »Ich nehme das sehr persönlich. Sie hatte mein Gesicht.«
    »Und es bedrückt dich, dass sie eine von den Verlorenen ist?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ist sie gar nicht verloren. Vielleicht hat sie die Katastrophe ja überlebt. Vielleicht ist sie hundert Jahre alt geworden und hatte jede Menge Enkel und Urenkel.«
    »Möglich.«
    »Ich habe mich gefragt, ob du Recht hast und verlorene Seelen sich danach sehnen, nach Hause zu kommen. Was ist, wenn sie mir mit diesen Träumen, die mich verfolgen, zu sagen versucht, dass sie gefunden und nach Hause geholt werden will?«
    »Glaubst du das? Ich muss dir sagen, dass das eine äußerst unrealistische Schlussfolgerung ist.«
    »Weil es deine Pflicht ist.« Jane schwieg eine Weile. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was wirklich ist und was nicht, und ich glaube, dir geht es genauso. Diese Schlussfolgerung ist nicht mehr und nicht weniger realistisch als die Annahme, ich würde seelische Schwingungen auf mich lenken.« Sie verzog das Gesicht. »Aber ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen.
    Vielleicht solltest du Bonnie mal fragen, was mit mir passiert.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Eigentlich nicht. Sie bestimmt dein Leben, und damit habe ich kein Problem. Und wo sie nun schon mal dazugehört, dachte ich, wir könnten sie ein bisschen für uns arbeiten lassen.« Sie ging den Flur hinunter. »Ach, vergiss es. Wir kriegen das schon allein hin. Aber versuch, Lucy heute Nacht fertig zu bekommen.«

    Kaum hatte sie ihre Zimmertür hinter sich geschlossen, schaltete sie ihren Laptop ein und rief die Seite des Archaeology Journal auf. Ziemlich trockenes Zeug. Schwer zu glauben, dass ein Perverser wie Aldo sich für so was interessieren würde. Keine aktuellen Artikel über Herkulaneum.
    Sie holte tief Luft, um sich zu wappnen, dann rief sie die Porno-Seite auf. Sie hatte schon einmal einen kurzen Blick gewagt, aber sie musste sich sicher sein … Nach fünf Minuten hielt sie es nicht mehr aus und schloss die Seite. Grauenhaft.
    Unvorstellbar, dass sich jemand an derartigen Obszönitäten

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