Der Magier von Fairhaven
entscheiden, was er will … Wasser oder Wein … dann überlegt er es sich doch wieder anders …«
»Immer noch besser als der Erzmagier … behauptet, der Wein würde umschlagen, noch bevor er ihn trinken kann … wirft uns vor, dass wir ihm Essig gebracht hätten.« Die Botin, die offenbar in der Krippe aufgewachsen und erzogen worden war, sah sich ängstlich über die Schulter um, doch ihr Blick glitt über Cerryl hinweg, als wäre er überhaupt nicht da.
»Still …«
Aus der anderen Richtung kam ein Anwärter, den Cerryl nicht kannte, ein dunkelhaariger junger Mann mit einem dünnen Ziegenbärtchen, das eine gewisse Ähnlichkeit mit der Manneszierde des armen toten Bealtur hatte. Auch der Anwärter ging vorbei, ohne Cerryl zu bemerken.
Schließlich stieg eine rothaarige Frau die Treppe vor dem Turm herunter, ging leise zur Mitte des Vorraums und trat durch den hinteren Bogengang in den Hof hinaus.
Cerryl ließ Anya etwas Vorsprung, ehe er die Schatten verließ und den Schild herunternahm. »Leyladin kommt nicht. Ich habe sie vorgeschickt, um Euch hierher zu bitten.«
Anya drehte sich um und setzte ihr strahlendstes Lächeln auf. »Warum … Cerryl … Ihr seid ja sogar noch vorsichtiger als früher.«
»Es war überhaupt nicht vorsichtig, nach Fairhaven zu kommen, Anya. Aber wo immer möglich, bin ich natürlich lieber vorsichtig.«
»Ihr besitzt anscheinend auch einige Fähigkeiten, von denen niemand etwas weiß. Ich habe keine Menschenseele in der Nähe gespürt.«
»Das lag vermutlich daran, dass Ihr Leyladin und nicht mich erwartet habt.«
»In Euch steckt mehr, als man auf den ersten Blick sehen kann.«
»Danke. Das will ich auch hoffen, weil man auf den ersten Blick sowieso nicht viel sieht. Wenn man körperlich nicht beeindruckend ist und nicht mit riesigen Mengen von Chaos-Energie aufwarten kann …« Cerryl zuckte mit den Achseln und zog sie in die Richtung der Säulen. Nicht bis in die Schatten, weil dadurch beiläufige Beobachter misstrauisch geworden wären, sondern nur bis zum Rand des Weges, als hätten sie sich zufällig getroffen und wären ins Gespräch gekommen.
»Was wollt Ihr nun von mir?«
»Ich habe eine Botschaft bekommen.« Cerryl hob die Augenbrauen.
»Ah … ja. Vielleicht war ich voreilig. Oder ich wollte nur sehen, ob Ihr auch Wort haltet.« Anyas Lächeln verschwand.
»Ich würde vorschlagen, dass Ihr diejenigen, denen Ihr vertrauen könnt, um Euch sammelt. Sie sollen sich bereithalten, während wir Sterol aufsuchen.«
»Er wird Euch nicht empfangen wollen.«
»Deshalb werdet Ihr auch nicht darum bitten. Ihr werdet mich einfach mitnehmen.«
»Und wenn nicht?« Anya schaffte es beinahe, schüchtern zu lächeln.
Cerryl zuckte betont geringschätzig mit den Achseln. »Dann müsst Ihr noch viele Jahre lang Sterol als Erzmagier ertragen … bis er es müde ist, Euch dabei zuzusehen, wie Ihr Euch anderweitig vergnügt … falls es nicht schon so weit gekommen ist.«
»Seid nicht so grob, Cerryl. Das steht Euch nicht gut zu Gesicht.« Anya zog die Augenbrauen hoch. »Und Ihr wärt anders? Ich nehme doch an, darauf läuft es hinaus?«
»Ich habe Leyladin und das lässt Euch die Freiheit … zu tun, was immer Ihr wollt. Abgesehen von der Frage der Macht, natürlich.«
»Dieser Gedanke ist mir nicht unbedingt unangenehm … aber er setzt voraus, dass Ihr Sterol besiegen könnt.«
»Wenn ich es nicht kann, dann seid Ihr und Sterol mich los und Ihr könnt behaupten, ich hätte Euch gezwungen, mich in den Weißen Turm zu bringen. Sterol ist sicher bereit, einer Magierin diese Behauptung zu glauben.«
»Ihr werdet mit zunehmendem Alter geradezu verschlagen, Cerryl.«
»Ich habe Euch beobachtet, Anya, und von Euch gelernt, was es zu lernen gab. Warum habt Ihr mich nun rufen lassen?«
»Weil ihn das Amulett dieses Mal geradezu vergiftet hat.« Anya senkte die Stimme und murmelte nur noch, das strahlende und falsche Lächeln wurde traurig – und ehrlicher.
»Seine Schriftrollen schienen mir unverändert«, gab Cerryl zurück. »Ungeduldig und selbstbezogen wie immer.«
»Glaubt Ihr das wirklich?«, fragte die rothaarige Magierin. »Einst hat er genau wie Ihr davon gesprochen, Fairhaven den alten Glanz zurückzugeben. Jetzt verlangt er Gold und beleidigt die Herrscher anderer Länder und wir müssen Lanzenreiter schicken, um die Magier zu schützen, die dort als Berater dienen – wenn wir sie nicht gleich ganz zurückrufen müssen. Er unternimmt nichts gegen den
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