Der Magier von Fairhaven
der Schutz der Straße nach Axalt weniger wichtig, zumal unsere Kontrolle über Elparta und den oberen Teil des Flusses mittelbar dasselbe Ergebnis zeitigt …
Wir erwarten, dass Ihr sofort das Lager abbrecht und Euch mit gebotener Eile auf den Weg macht, um hier in Elparta zu uns zu stoßen …
Jeslek hatte die Schriftrolle unterzeichnet, aber die Unterschrift war kaum mehr als ein hastiges Gekritzel, nicht zu vergleichen mit den akkurat gesetzten Buchstaben der früheren Botschaften. Die Folge des übermäßigen Einsatzes von Chaos-Energie? Oder hatte er es einfach nur eilig?
Dies warf sogleich die Frage auf, wer das Dokument überhaupt geschrieben hatte. Anya? Auf der Hauptstraße waren nicht viele Schriftgelehrte oder angehende Magier unterwegs, und Cerryl war sicher, dass Jeslek auf keinen Fall Fydel das Verfassen eines solchen Dokuments anvertraut hätte. Andererseits war Anya noch weniger zu trauen als Fydel oder dem Erzmagier.
Cerryl rollte das Dokument wieder zusammen und schob es in die Innentasche seiner Jacke, dann trat er vor.
Ferek und Hiser warteten schweigend und sahen ihn fragend an.
»Der Erzmagier ruft uns nach Elparta. Wir werden im Morgengrauen aufbrechen.« Cerryl lächelte. »Wir haben genug Zeit, das Wildschwein zu genießen.«
»Gut«, sagte Ferek.
Hiser nickte zurückhaltend.
»… wird aber auch Zeit«, meinte einer der Lanzenreiter, die sich am Kochfeuer herumtrieben.
»… blaue Kommandant … frage mich, ob sie ihn erwischt haben …«
»… nie passieren … heißt, er ist ein Riese …«
»… nicht mehr hier sitzen und frieren …«
Nach allem, was sein Glas ihm über Elparta verraten hatte, war Cerryl sicher, dass eine Überwinterung in Elparta – denn dies musste es sein, was Jeslek im Sinn hatte – gewiss keine warme, behagliche Angelegenheit werden würde. Einiges an Arbeit war sicherlich vonnöten, um die Stadt instand zu setzen, damit die Lanzenreiter und Rekruten in der kalten Jahreszeit ein Quartier bekamen. Und im folgenden Frühling und Sommer würden sie mit den Blauen und dem sagenhaften Kommandanten nur noch mehr Schwierigkeiten bekommen.
XXVII
A ls er in westlicher Richtung bergab ritt, sah Cerryl die von den Wassermassen niedergedrückten Bäume und Büsche, noch bevor er den Fluss Gallos erreichte. Trotz der nur schwachen Mittagssonne und des kalten Ostwindes stieg ein übler Geruch vom Schlamm in der Überschwemmungsebene des Flusses auf.
Unter einer erodierten Klippe, die schon vor Jahren zu einem sanft geneigten Hang zusammengebrochen war, beschrieb die Straße eine Kurve und lief am alten Kai entlang in nördlicher Richtung nach Elparta, breit genug für vier Pferde oder für zwei Wagen, die einander begegneten.
»Zu zweit nebeneinander, Hiser«, befahl Cerryl. Er wollte vermeiden, dass die Pferde durch den stinkenden Schlamm neben der Straße liefen. Hier und dort sah man am Hang über dem Fluss Strohbüschel, Bretter oder vom Wasser geglättete Lehmziegel, die früher einmal zu Hütten oder Nebengebäuden gehört hatten. Cerryl bemühte sich, möglichst flach zu atmen.
»Bei den Dämonen, was für ein Gestank«, bemerkte Ferek. »Hinter den Stadtmauern wird es noch schlimmer, würde ich meinen.«
»Wenn sie sich ergeben hätten, wäre es ihnen lange nicht so schlimm ergangen«, meinte Hiser.
Cerryl war sich in dieser Hinsicht nicht sicher. Er betrachtete die Trümmerhaufen, die einmal eine Stadtmauer gewesen waren. Eine ganze Kompanie Lanzenreiter war abgesessen und hatte sich direkt vor dem Schutt gesammelt.
Eins der Stadttore lag zerborsten auf den Trümmern eines Wachturms. Vom zweiten waren nur noch Eisenbänder zu sehen, die einige zerschmetterte, verkohlte Balken zusammen hielten. Cerryl nickte. Jeslek – oder Fydel oder Anya – hatte seine Wut am Tor ausgelassen.
Auf einem behelfsmäßigen Podium neben der Zufahrt zur Stadt stand ein Lanzenoffizier. »Der Erzmagier ist im hohen Haus dort auf dem Hügel.« Hauptmann Teras begrüßte Cerryl mit einem Nicken. »Er erwartet Euch schon. Ich sorge dafür, dass Eure Männer ein Quartier bekommen, so gut es hier eben möglich ist.«
»Danke.«
»Dester und Huyl werden Euch führen. Die Straßen sind hier nicht mehr so gut wie früher.« Nur ein Hauch von Ironie schwang in der Bemerkung des stämmigen Offiziers mit.
Cerryl drehte sich im Sattel um. »Lasst die Männer nicht einfach herumlaufen, ganz egal was die anderen sagen. Wenn sie sich hier frei bewegen dürfen, dann
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