Der Magier von Fairhaven
Oder hatten die drei sich selbst umgebracht? Anscheinend waren die Türen nicht mit Gewalt geöffnet worden und die eher oberflächlichen Plünderungen konnten auch später stattgefunden haben, aber Cerryl war nicht sicher.
Vielleicht dachten sie, ihr Wohlstand würde sie schützen.
Stirnrunzelnd betrachtete er die Küche mit ihren sauberen Arbeitstischen und warf noch einen Blick in die Speisekammer. Auch dort war alles in Ordnung. Die ehemaligen Bewohner des Hauses waren wohlhabend oder sogar reich gewesen. Und unschuldig in jeglicher Hinsicht, abgesehen höchstens von ihrer Unwissenheit. Trotz Jesleks grausamer Bedingungen hatten sie sich zum Bleiben entschieden. Wie viele andere hatten dem Exil den fast sicheren Tod vorgezogen?
Je mehr er sah, desto unsicherer wurde Cerryl, wenn er sich fragte, was in einer solchen Welt überhaupt noch einen Wert besaß.
Das Esszimmer war ebenso unversehrt wie die drei Schlafzimmer im oberen Stockwerk, mit Ausnahme einer kleinen Truhe, weniger als eine Elle groß, die aufgebrochen auf dem oberen Treppenabsatz lag. Ein einsames Silberstück, das bis vor das Geländer gerollt war, verriet, wozu die Kiste gedient hatte.
Aber Kleidung war nicht entwendet worden und auch die silbernen Gerätschaften im Schränkchen im Esszimmer waren noch da. Lag es daran, dass es so viele verlassene Häuser und vergleichsweise wenige Lanzenreiter und Rekruten gab? Oder weil Münzen einfacher zu tragen und zu verbergen waren?
Cerryl drehte sich um und betrachtete vom Treppenabsatz aus das größte der Schlafzimmer – ein Bett mit vier stabilen Holzpfosten, ein mit Seidenstoff überzogener Polsterstuhl in einer Ecke, zwei passende Wandschränke mit einem mannshohen Spiegel dazwischen, zwei Fenster mit braunen Seidenvorhängen, die Läden geschlossen, eine Tür, die zu einem Bad führte.
Und drei Leichen …
Cerryl ging in den unteren Flur hinunter, Hiser folgte ihm. Die Lanzenreiter warteten an der offenen Vordertür. Der jüngere blonde Lanzenreiter war ein wenig grün im Gesicht.
»Das Haus sieht gut aus. Wir müssen es aber noch eine Weile auslüften. Wie sieht es mit den Nachbarhäusern aus?« Cerryl wandte sich an den blonden Unteroffizier.
»Die Nachbarhäuser sind nicht ganz so gut in Schuss«, gestand Hiser. »Aber wohl immer noch besser als die Gebäude weiter unten.«
Cerryl grinste humorlos. Die Arbeit, die hier notwendig war, würde die Lanzenreiter vielleicht auf andere Gedanken bringen. Vielleicht.
Sein Blick wanderte zum Studierzimmer. Hoffentlich würde der Geruch bald verschwinden. Er wollte sich lieber nicht vorstellen, wie viele Tote es gegeben hatte – oder noch geben würde.
XXIX
D er Erzmagier erwartet Euch schon.« Der Unteroffizier der Lanzenreiter öffnete sofort die Tür, als Cerryl sich den Wachen am Ende des kurzen Flurs näherte. Die Kerzen in den rußigen Wandhaltern brannten nicht, der Flur war düster und roch leicht nach Wachs.
Cerryl betrat das private Studierzimmer des Wohnhauses, das Jeslek für sich beschlagnahmt hatte, und setzte sich dem Erzmagier gegenüber an den runden Tisch, dankbar für die Wärme vom Kamin. Die Bücher waren inzwischen neu geordnet und aufgestellt worden und lagen nicht mehr kreuz und quer durcheinander.
Anya und Fydel waren bereits da, Anya saß links neben Cerryl, Fydel auf der rechten Seite. Auf einem Silbertablett stand eine Dekantierflasche mit Weißwein, daneben ein leeres Weinglas. Anya, Fydel und Jeslek waren bereits mit Gläsern versorgt.
Fydel tippe nervös aufs polierte Holz, hörte aber sofort wieder auf, als Anya missbilligend die Augenbrauen hob.
»Wir können beginnen«, sagte Jeslek lächelnd.
»Ich stehe Euch zur Verfügung.« Cerryl erwiderte das Lächeln, nahm die Dekantierflasche und füllte das leere Glas. Eigentlich wollte er nichts trinken, aber es kam auf die Geste an, und so nippte er einen Schluck Wein. Auch dieser Wein war kurz vor dem Umschlagen. Jeslek strahlt zu viel Chaos aus.
Um Anyas Lippen spielte ein leises Lächeln, Fydel tippte noch einmal auf den Tisch.
»Ihr werdet bald ein eigenes Kommando haben.« Jeslek blickte zwischen Fydel und Cerryl hin und her.
Anya sah weder Cerryl noch den Magier mit dem eckig gestutzten Bart an.
»Ich habe den Befehl schriftlich festgehalten und an Kinowin und Redark geschickt«, fuhr Jeslek lächelnd fort. »Fydel, Ihr sollt Elparta verteidigen und wenn nötig die Spidlarer bekämpfen. Cerryl, Ihr sollt Elparta wieder aufbauen und für Frieden
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