Der Magier von Fairhaven
höflichen Kopfnicken, dann ging er in den klaren, kalten Nachmittag hinaus. Trotz des frischen Windes hing noch immer der Gestank des Todes über der Stadt.
Während er auf seinem Wallach zurückritt, fragte Cerryl sich, wie er all das schaffen konnte, was Jeslek ihm aufgetragen hatte. Will er etwa, dass du versagst? Schon wieder? Der braunhaarige Magier nickte und starrte ins Leere, während das Pferd ihn zu seinem Quartier trug.
XXX
C erryl betrachtete das leere Pergament auf dem Ecktisch, dann starrte er zum Fenster. Die Läden waren geschlossen, draußen war es inzwischen völlig dunkel. Im Haus, das er beschlagnahmt hatte, war es ruhig. Mit Ausnahme der Wachtposten lagen die meisten Lanzenreiter, die in den Nachbargebäuden untergebracht waren, vermutlich längst in tiefem Schlaf.
Die Öllampe zischte, spuckte und zischte wieder. Er betrachtete sie und fragte sich, ob sie leer war, aber das Zischen hörte auf und die Lampe warf wie zuvor ihren stillen, gelben Schein auf das leere, fahle Pergament.
Der Weiße Magier unterdrückte ein Gähnen. Es kam ihm vor, als wäre er vom Morgengrauen bis spät in den Abend pausenlos unterwegs gewesen … so viele Dinge, an die er nie gedacht hätte, waren zu regeln. Nicht nur Vorräte und Futter, sondern auch Werkzeuge wurden gebraucht, eine Waffenschmiede, sogar um Nägel und Bolzen musste er sich kümmern. Wie ersetzte man Deckenbalken, wenn man nichts hatte, um sie zu befestigen? Holznägel waren der einzige Ersatz, aber damit konnten ungeschickte Lanzenreiter und Bauern nicht viel anfangen.
Er rieb sich die Stirn und starrte wieder auf das Pergament.
Erst zum zweiten Mal in beinahe drei Jahreszeiten konnte er Leyladin einen Brief schreiben, der sie sicher erreichen würde, weil am Morgen ein Bote mit einer Eskorte von Lanzenreitern nach Fairhaven aufbrechen würde. Doch er hatte überhaupt keine Vorstellung, wie er beginnen sollte. Oder vielmehr, er hatte viel zu viel zu sagen, um es in einen einzigen Brief zu pressen.
Schließlich begann er zu schreiben. Lächelnd malte er die erste Zeile.
Meine liebste Leyladin …
Danach flossen die Worte leichter, sodass es nicht lange dauerte, bis er sich einen zweiten Bogen nehmen musste. Nach einer Weile hielt er inne, und schließlich hatte er den Docht der Lampe zweimal nachgestellt, ehe er am Ende des zweiten Blattes unterzeichnete und sein Werk zum Trocknen beiseite legte.
Er rieb sich die Stirn und blieb noch ein wenig im stillen Studierzimmer sitzen. Draußen unterhielten sich leise die beiden Lanzenreiter, die zum Wachdienst eingeteilt waren. Schließlich nahm er das erste Blatt wieder zur Hand und überflog noch einmal, was er geschrieben hatte:
… haben hier gute Quartiere, wenngleich ich angesichts der Art und Weise, wie wir zu ihnen gekommen sind, etwas beunruhigt bin. Ich war genau genommen nicht dafür verantwortlich … so lange her, dass wir ein Dach über dem Kopf hatten, das diesen Namen auch verdient … immer an dich gedacht … wie du meinem letzten Brief und meinen kurzen Blicken durchs Spähglas ja entnehmen konntest … nicht aufdringlich sein … dich aber vermisst … mehr als ich je gedacht hätte …
Er schüttelte den Kopf. Das war nicht ganz wahr. Sie war ihm sogar schon wichtig gewesen, bevor er sie überhaupt kennen gelernt hatte. Was hat dich zu ihr hingezogen … und sie zu dir? Ordnung und Chaos? Die Suche nach einer Art von Ausgleich?
Nach kurzem Überlegen las er weiter:
… Elparta in unseren Händen und ich soll es zu altem Wohlstand wiederaufbauen, aber es gibt nur wenige Maurer und Schreiner unter den Lanzenkämpfern, und unter den armen Seelen, die den Fall der Stadt überlebt haben, findet sich kaum ein Handwerker … einen Maurerlehrling mit zerschmetterter Hand konnte ich ausfindig machen, außerdem einen alten Kerl, der einmal Zimmermann war … so wenig ich auch selbst weiß, es ist immer noch mehr, als viele der Männer wissen, die ich anleiten muss …
… den ersten leichten Schneefall gehabt, es verspricht ein kalter Winter zu werden. Ich schaudere bei dem Gedanken, wie es am Strand des Nordmeeres aussehen mag …
… keine Ahnung, wann wir nach Fairhaven zurückkehren werden. Es könnte bis zum nächsten Jahr dauern, wenn nicht noch länger …
Noch länger? Er hätte am liebsten mit der Faust auf den Tisch geschlagen oder seinem Unmut auf andere Weise Luft gemacht. Es lief einfach niemals so, wie er es sich vorgestellt
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