Der Magier von Fairhaven
schicken sie in den Tod, obwohl es nicht nötig wäre.«
»Ihr seid zu weichherzig, Cerryl. Was spielen ein paar hundert Bauern mehr oder weniger schon für eine Rolle? Besonders wenn es Bauern aus Hydlen und Gallos sind.«
Cerryl schüttelte den Kopf, aber er schwieg.
»Hier, lest das. Sagt mir, ob ich mich irre.« Fydel reichte Cerryl das Schriftstück. Während Cerryl las, ging Fydel zu seinem Stuhl und rückte ihn zurecht, bis er mit der rechten Körperseite zum Kamin saß.
Draußen wurde es schlagartig dunkel und es schien sich sofort abzukühlen, als die erste graue Wolke von Norden her vor der Sonne vorbeizog.
Fydel schaute erst wieder auf, als Cerryl die Schriftrolle zurück auf den Tisch legte. »Ist es nicht, wie ich sagte?«
»Es ist so.« Cerryl runzelte die Stirn.
»Ihr scheint bestürzt.«
»Besorgt bin ich. Besorgt.« Cerryl trat näher zum Kamin. »Der Brief der Händler klingt nicht wie ein Schreiben von Leuten, die über ein Jahr erfolgreich Widerstand gegen ein anderes Land geleistet haben. Sie schreiben nicht wie Männer, für die Magier und Heeresführer aus Recluce kämpfen.«
»Vielleicht hat die Schwarze Insel sie im Stich gelassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Recluce sich so verhält.«
»Der Schmied ist noch in Diev. Er macht seltsame Dinge aus Schwarzem Eisen. Ich habe es im Glas gesehen.« Cerryl drehte sich ganz zu Fydel herum. »Habt Ihr mir nicht erzählt, dass Eure Patrouillen nach wie vor von kleinen Einheiten der Blauen angegriffen werden?«
»Wir haben seit Jahresbeginn nicht mehr als einen halben Zug verloren. Das ist nichts.«
Der junge Magier zuckte mit den Achseln. »Das sind nicht viele Kämpfer, aber die Taktik ist die gleiche geblieben, und das bedeutet, dass auch ihr Schwarzer Anführer noch in Spidlar ist.«
»Was wollt Ihr damit sagen, Cerryl?«
»Nichts.« Cerryl schüttelte den Kopf. »Vielleicht solltet Ihr das Angebot annehmen. Oder einen Gegenvorschlag machen.«
»Damit Jeslek … nein.«
»Dann schickt ihm das Schreiben und fragt ihn um Rat.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Damit er nicht noch einen Vorwand bekommt, wütend auf Euch zu sein.«
Fydel schürzte die Lippen und kratzte sich am Bart. »Vielleicht sollte ich das tun. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis eine solche Botschaft den Erzmagier erreicht. Die Osthörner sind abgesehen von der Weißen Hauptstraße, die durch Gallos führt, nicht passierbar. Und selbst auf diesem Weg wird ein Bote mehrere Achttage brauchen, um nach Fairhaven zu gelangen.«
»Es ist Eure Entscheidung.« Cerryl nickte. »Kann ich Euch sonst noch helfen?«
»Höchstens indem Ihr die Mauern vollkommen instand setzt, damit wir nicht mehr so viele Streifen und Wachtposten brauchen.«
»Wir arbeiten daran.«
»Gut.«
»Wir sehen uns.« Cerryl riss sich vom warmen Kamin los und verabschiedete sich mit einem Nicken von Fydel. Der Wind pfiff durch die Straßen, die Maurer klopften und schabten mit ihrem Werkzeug. Hinter ihm, im hohen Zimmer, flackerten die Kerzen.
XXXIX
D as erste gelborangefarbene Licht fiel auf den Neuschnee, drang durch die Spalten neben den Fensterläden ins Wohnzimmer und ins Arbeitszimmer. Es spielte im Glas und störte Cerryls Konzentration.
Er blinzelte zweimal, rieb sich die Stirn und ließ die Schleier im Glas zusammenfallen. Wenn er direkt nach unten schaute, sah er sein eigenes Spiegelbild – feines braunes Haar, schmales Kinn, gerade Nase, graue Augen mit kleinen Ringen darunter. Hinter seinem Gesicht erkannte er das Abbild der dunklen Deckenbalken.
Vier Tage … seit vier Tagen konnte er Leyladin nicht im Glas finden. Viele Gründe waren dafür denkbar. Sie konnte an einem Ort sein, wo das Glas nichts nützte, beispielsweise auf einem Schiff auf einem großen Gewässer oder irgendwo in den Hügeln, die mit Ordnung und Eisen gefüllt waren, oder sie schirmte sich ab, wie es auch Cerryl vermochte, wenn er sich bemühte. Es gab gute Gründe, aber die fortgesetzte Abwesenheit beunruhigte ihn.
Er ging zum Wohnzimmer und klappte die Fensterläden, die ein Stück offen gestanden hatten, ganz zu. Dann kehrte er zum polierten Holztisch und dem leeren Glas zurück. Verlor er seine Fähigkeit, die Schwarzen zu finden? Hatte er zu viel Chaos eingesetzt, obwohl er sich bemüht hatte, vorsichtig zu sein?
Noch einmal konzentrierte er sich.
Die silbernen Nebel teilten sich und enthüllten das Abbild des rothaarigen Schmieds in Diev. Er hielt eine Zange in der Hand und zog ein
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