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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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muß.«
    »Ihr seid ein Manzipationist, nicht wahr?« fragte Alvin.
    »Das bin ich wohl«, antwortete der Gastwirt, »aber ich schätze, daß alle guten Christen im Innern ihres Herzens Manzipationisten sind.«
    »Das glaube ich auch«, meinte Alvin.
    »Ich hoffe jedenfalls, daß du einer bist, denn wenn sich herumsprechen sollte, daß ich einem Sklavenmädchen dabei helfen wollte, nach Kanada zu fliehen, werden mich die Sucher und Fänger aus Appalachee und den Kronkolonien bespitzeln, so daß ich keinem anderen mehr bei der Flucht helfen kann.«
    Alvin sah wieder das Grab an und dachte an das Baby in der Küche. »Werdet Ihr diesem Baby erzählen, wo sich das Grab seiner Mutter befindet?«
    »Wenn er alt genug ist, um es zu verstehen und es nicht weiterzuerzählen«, antwortete der Mann.
    »Dann werde ich Euer Geheimnis wahren, wenn Ihr auch meins wahrt.«
    Der Mann hob die Augenbrauen und musterte Alvin.
    »Was kannst du denn für ein Geheimnis haben, Alvin, ein so junger Bursche wie du?«
    »Ich lege keinen besonderen Wert darauf, daß sich herumspricht, daß ich ein siebenter Sohn bin. Ich bin gekommen, um bei Makepeace Smith eine Lehre anzutreten. Ich vermute, das ist der Mann, den ich dort unten an der Schmiede haben hämmern hören.«
    »Und du willst auch nicht, daß die Leute wissen, daß du Leichen in einem namenlosen Grab sehen kannst.«
    »Ihr habt genau verstanden, worauf ich hinauswollte«, meinte Alvin. »Ich werde Euer Geheimnis nicht preisgeben und Ihr meines auch nicht.«
    »Darauf hast du mein Wort«, erwiderte der Mann. Dann streckte er ihm die Hand entgegen.
    Alvin nahm die Hand und schüttelte sie froh. Die meisten Erwachsenen wären nicht einmal auf den Gedanken gekommen, mit einem Kind wie ihm eine solche Abmachung zu treffen. Doch dieser Mann bot ihm sogar die Hand, als wären sie gleichberechtigt. »Ihr werdet sehen, daß ich Wort zu halten verstehe, Sir«, versprach Alvin.
    »Und jedermann hier wird dir bestätigen, daß auch Horace Guester sich an seine Versprechen hält.« Und dann erzählte Horace ihm die Geschichte, die sie über das Baby verbreiten wollten, daß es das jüngste Kind der Berrys sei, die es Old Peg Guester zum Aufziehen überlassen hatten, weil sie kein weiteres Kind gebrauchen konnten und weil Old Peg schon immer einen Sohn hatte haben wollen. »Und das stimmt sogar«, meinte Horace Guester. »Jetzt, da Peggy davongelaufen ist, erst recht.«
    »Eure Tochter«, sagte Alvin.
    Plötzlich traten Horace Guester die Tränen in die Augen, und er erzitterte mit einem Schluchzen, wie Alvin es noch nie von einem erwachsenen Mann gehört hatte. »Sie ist heute morgen einfach davongelaufen«, sagte Horace Guester.
    »Vielleicht besucht sie ja nur irgend jemanden in der Stadt«, warf Alvin ein.
    Horace schüttelte den Kopf. »Entschuldige bitte, daß ich so weine. Ich kann dich einfach nur um Entschuldigung bitten. Ich bin so schrecklich müde, bin die ganze Nacht aufgewesen, und dann das heute morgen! Sie ist einfach so verschwunden! Sie hat uns einen Zettel hinterlassen. Sie ist wirklich fort.«
    »Kennt Ihr den Mann denn nicht, mit dem sie davongelaufen ist?« wollte Alvin wissen. »Vielleicht werden sie heiraten. Das ist bei einem Schwedenmädchen oben am Noisy River auch einmal so gewesen …«
    Horace lief vor Zorn rot an. »Du bist nur ein Junge, du weißt es nicht besser. Also will ich es dir gleich mitteilen: Peggy ist mit keinem Mann davongelaufen. Sie ist eine reine Frau, die reine Tugend in Person, und noch nie hat jemand etwas anderes von ihr behauptet. Nein, sie ist allein davongelaufen, Junge.«
    Alvin dachte daran, daß er schon alle möglichen seltsamen Dinge in seinem Leben gesehen hatte – einen Tornado, der sich in einen Kristallturm verwandelt hatte, einen Stoffballen, in den sämtliche Seelen aller Männer und Frauen verwoben gewesen waren, Morde und Folterungen, Geschichten und Wunder. Alvin kannte mehr vom Leben als die meisten elfjährigen Jungen. Aber das hier war wirklich die seltsamste Sache von allen: sich vorzustellen, wie ein Mädchen von sechzehn einfach aus dem Haus ihres Vaters ging, ohne Ehemann oder sonst etwas. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie eine Frau gesehen, die allein irgendwohin ging, höchstens bis zu ihrem eigenen Hof.
    »Ist sie … ist sie in Sicherheit?»
    Horace lachte verbittert. »In Sicherheit? Natürlich ist sie in Sicherheit. Sie ist eine Fackel, Alvin, die beste Fackel, von der ich je gehört habe. Sie kann die Leute

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