Der magische Pflug
für ein Jahr weniger übernehmen, als im Vertrag steht, ohne ein einziges Wort der Entschuldigung, ja, ohne überhaupt gefragt zu werden!«
»Es tut mir leid, Sir«, sagte Alvin. »Aber letztes Jahr hatten wir Krieg. Ich war schon auf dem Weg hierher, wurde aber von den Choc-Taw gefangengenommen.«
»Gefangengenommen von den … ach, komm schon, Junge, erzähl mir nicht solche Märchen. Wenn die Choc-Taw dich gefangengenommen hätten, dann hättest du jetzt keine so hübsche Frisur mehr! Und wahrscheinlich würden dir dann auch ein paar Finger fehlen.«
»Ta-Kumsaw hat mich gerettet«, erklärte Alvin.
»Natürlich, und zweifellos bist du auch dem Propheten persönlich begegnet und mit ihm über das Wasser spaziert.«
Tatsächlich hatte Alvin genau das getan, doch aus dem Tonfall des Schmieds schloß er, daß es wohl unklug wäre, das zu sagen. Also sagte Alvin gar nichts.
»Wo ist dein Pferd?« wollte der Schmied wissen.
»Ich habe keins«, antwortete Alvin.
»Junge, dein Vater hat das Datum auf diesen Brief geschrieben, und das war vor zwei Tagen! Du mußt doch zu Pferde gekommen sein.«
»Ich bin gelaufen.« Sobald Alvin es ausgesprochen hatte, wußte er, daß es ein Fehler war.
»Gelaufen?« fragte der Schmied. »Barfuß? Vom Wobbish bis hierher? Das müssen doch mindestens vierhundert Meilen sein! Dann müßten dir die Füße in Fetzen bis zu den Knien herabhängen! Erzähl mir keine Märchen, Junge! Ich dulde keine Lügner um mich!«
Alvin hatte die Wahl, und er wußte es auch. Er könnte erklären, daß er zu laufen wußte wie ein roter Mann. Make-peace Smith würde ihm allerdings nicht glauben, und so würde Alvin ihm einiges von dem vorführen müssen, was er konnte. Das wäre recht leicht. Eine Eisenstange zu verbiegen, indem er sie einfach nur streichelte. Zwei Steine miteinander zu verschmelzen, bis sie zu einem geworden waren. Aber Alvin hatte bereits entschieden, daß er seine Talente hier nicht vorführen wollte. Wie sollte er jemals ein richtiger Lehrling werden, wenn die Leute dann ständig zu ihm kamen, damit er für sie Herdsteine schnitt oder Wagenräder reparierte oder all die vielen anderen Dinge richtete, auf die er sich verstand? Außerdem hatte er so etwas noch nie getan, mit seinen Gaben zu protzen, nur um zu beweisen, wozu er fähig war. Zu Hause hatte er sie immer nur eingesetzt, wenn es notwendig war.
Also blieb er dabei, seine Fähigkeiten für sich zu behalten. Er wollte nichts von dem erzählen, was er konnte. Er würde einfach nur lernen wie jeder andere normale Junge, würde das Eisen auf dieselbe Weise bearbeiten wie der Schmied, würde die Muskeln an seinen Armen und Schultern, auf Brust und Rücken langsam wachsen lassen.
»Ich habe nur Spaß gemacht«, sagte Alvin. »Ein Mann hat mich auf seinem Ersatzpferd reiten lassen.«
»Diese Art von Witzen mag ich aber nicht«, warf der Schmied ein. »Und es gefällt mir auch nicht, daß du mich einfach so angelogen hast.«
Was sollte Alvin darauf sagen? Er konnte ja nicht einmal behaupten, daß er nicht gelogen hatte – denn das hatte er sehr wohl getan, als er von dem Mann gesprochen hatte, der ihn hatte mitreiten lassen. Also war er tatsächlich der Lügner, für den der Schmied ihn hielt. Verwirrung gab es nur in dem Punkt, welche seiner Behauptungen eine Lüge war.
»Es tut mir leid«, sagte Alvin.
»Ich nehme dich nicht an, Junge. Ich brauche dich sowieso nicht mehr anzunehmen, bei einem Jahr Verspätung. Und dann kommst du auch noch her, und das erste, was du mir erzählst, ist eine Lüge. So etwas dulde ich nicht.«
»Sir, es tut mir leid«, wiederholte Alvin. »Es wird nicht wieder geschehen. Zu Hause kennt man mich auch nicht als Lügner, und Ihr werdet sehen, daß ich auch hier für meine Ehrlichkeit bekannt werde, wenn Ihr mir eine Chance gebt. Wenn Ihr mich beim Lügen erwischt oder dabei, daß ich nicht die ganze Zeit ehrliche Arbeit leiste, dann könnt Ihr mich hinauswerfen, ohne jede Widerrede. Gebt mir nur die Chance, es Euch zu beweisen, Sir.«
»Und du siehst auch gar nicht so aus, als wärst du wirklich elf Jahre alt, Junge.«
»Das bin ich aber, Sir. Und das wißt Ihr auch. Denn Ihr wart es, der mit seiner eigenen Hände Kraft den Leichnam meines Bruders Vigor aus dem Fluß geholt habt, in jener Nacht, als ich geboren wurde. Das jedenfalls hat mir mein Pa erzählt.«
Nun bekam das Gesicht des Schmieds einen abwesenden Ausdruck, als erforsche er sein Gedächtnis. »Ja, das ist wahr, ich war es,
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