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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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sich davor, noch einmal einzuschlafen. »Vielen Dank für Eure Güte, Ma'am, aber irgendwie möchte ich, glaube ich, ein paar Minuten für mich allein haben.«
    »Wie du willst«, sagte sie und ging.
    Die Morgenbrise ließ ihn frösteln, als sie das Wasser trocknete, daß er auf sein Hemd vergossen hatte. War seine Vergewaltigung durch den Entmacher nur ein Traum gewesen? Das glaubte er nicht. Er war durchaus wach, und die Erfahrung war wirklich genug gewesen. Wenn Gertie Smith nicht gekommen und diesen Eimer in den Brunnen getaucht hätte, dann wäre er wohl entmacht worden. Der Entmacher versteckte sich nicht mehr. Er schlich sich nicht mehr von hinten heran, kam auch nicht um die Ecke. Egal wohin er blickte, überall war er zu sehen, wie er im grauen Morgenlicht schimmerte.
    Aus irgendeinem Grund hatte der Entmacher sich diesen Morgen für eine Konfrontation ausgesucht. Nur daß Alvin nicht wußte, wie er kämpfen sollte. Wenn es nicht genügte, einen Brunnen zu graben und ihn so sorgfältig auszubauen, dann wußte er auch nicht mehr, was er noch tun sollte. Der Entmacher war schließlich nicht wie die Männer, mit denen er in der Stadt ringen konnte. Den Entmacher konnte man nicht packen, festhalten, schlagen, würgen.
    Eins war sicher. Alvin würde keine einzige Nacht mehr richtig schlafen, bevor er den Entmacher nicht irgendwie ergreifen und in den Dreck niederringen konnte.
    Eigentlich soll ich dein Meister sein, sagte Alvin zu dem Entmacher. Also sag mir, Entmacher, wie soll ich dich entmachen, wenn alles, was du tust, das Entmachen ist? Wer soll mich lehren, diesen Kampf zu gewinnen, wenn du dich an mich heranschleichen kannst, während ich schlafe und nicht die leiseste Idee habe, wie ich dich zu fassen kriegen kann?
    Während er stumm diese Worte sagte, schritt Alvin zum Waldrand hinüber. Der Entmacher wich von ihm, immer außer Reichweite. Alvin wußte, ohne hinzuschauen, daß das Wesen sich auch von hinten näher heranschlich, so daß es ihn umzingelt hielt.
    Hier bin ich in der Mitte des unbehauenen Waldes, wo ich mich am meisten zu Hause fühlen müßte, aber der Grüngesang ist hier verstummt, um mich herum ist überall mein Todfeind, und ich habe nicht mal einen Plan.
    Aber der Entmacher, der hatte einen Plan. Und er vergeudete auch keine Zeit mit Unschlüssigkeit, das sollte Alvin sehr schnell zu spüren bekommen.
    Denn als Alvin in der kühlen, schweren Brise eines Sommermorgens dastand, wurde die Luft plötzlich eisig, und es war kaum zu glauben, plötzlich fiel Schnee. Die Flocken legten sich auf die Laubbäume, gingen auf dem hohen, dichten Gras nieder. Dicht und kalt häufte sich der Schnee auf, und es waren keine feuchten, schweren Flocken, sondern die winzigen Eiskristalle eines Schneesturms im Tiefwinter. Alvin zitterte.
    »Das kannst du nicht machen«, sagte er.
    Aber jetzt waren seine Augen nicht geschlossen, das wußte er genau. Das war kein Traum im Halbschlaf. Das war wirklicher Schnee, und er war so dicht und kalt, daß die Äste der sommergrünen Bäume schon brachen, daß das Laub abgerissen wurde und mit dem Scheppern zerbrochenen Eises zu Boden fiel. Und wenn Alvin hier nicht schleunigst fortkam, würde er schon bald erfroren sein.
    Er ging den Weg zurück, den er gekommen war. Aber der Schnee fiel jetzt so dicht, daß er kaum weiter als fünf oder sechs Fuß sehen konnte. Er konnte seinen Weg auch nicht erspüren, weil der Entmacher den Grüngesang des lebendigen Waldes zum Verstummen gebracht hatte. Schon bald lief er nicht mehr, er rannte. Nur, daß er nicht so sicher auf den Füßen rannte, wie Ta-Kumsaw es ihm beigebracht hatte; er rannte genauso lärmend und dumm wie jeder Tölpel von einem weißen Mann. Und so, wie es die meisten Weißen getan hätten, glitt auch er auf einem eisbedeckten Stein aus und stürzte mit dem Gesicht in den Schnee.
    Schnee, der ihm in Mund und Nase und Ohren drang, Schnee, der sich an seine Finger klebte, genau wie der Schleim letzte Nacht, genau wie der Entmacher in seinem Traum, und er keuchte und hustete und schrie: »Ich weiß, daß es ein Trugbild ist!«
    Seine Stimme wurde von der Schneemauer verschluckt.
    »Es ist Sommer!« schrie er.
    Sein Unterkiefer schmerzte von der Kälte, und er wußte, daß es zu weh tun würde, noch einmal zu sprechen. Aber noch immer schrie er mit tauben Lippen: »Ich werde dir Einhalt gebieten!«
    Und dann begriff er, daß er aus dem Entmacher nie etwas würde machen können. Nie würde er den Entmacher dazu

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