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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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fragte er mit abwesender Stimme.
    »Stütz dich auf den Nachttisch«, ermutigte Sam ihn, sobald es ihm gelungen war, ihn auf beide Füße zu stellen. »Ich kümmere mich um Grandma.«
    Er kletterte über das Bett zu seiner Großmutter und schob ihr vorsichtig den Arm unter die Schultern, um sie aufzurichten. Er küsste sie auf die Wange und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Grandma, ich bin's, Sam. Du musst aufwachen. Sofort.«
    Sie wiegte schlaftrunken den Kopf hin und her, bevor sie halbherzig ein Auge öffnete.
    »Sam?«, schrie sie auf. »Mein Gott, Sam! Ich träume nicht, du bist es wirklich?«
    »Es brennt, Grandma«, antwortete er so ruhig wie möglich. »Wir müssen hier raus.«
    »Feuer, ja aber . . .«
    Trotz ihrer schleppenden Stimme kam sie schnell zu sich und ihre erste Regung galt Grandpa, um zu sehen, ob er noch da war. Dann zeigte sie auf das Fenster zu ihrer Rechten.
    »Dahin . . . Das ist der kürzeste Weg . . .«
    Im Gegensatz zu Evelyns Fenster war dieses nicht von außen vergittert und man konnte ohne Probleme in den Garten hinausgelangen. Man musste nur hindurchklettern.
    Sam schob die Vorhänge beiseite und riss die Fensterflügel weit auf. Die frische Luft war eine Wohltat und ihm war, als hörte er draußen jemanden seinen Namen rufen. »Samuel! Samuel!«
    »Hier!«, schrie er zurück. »Hierher! Hinter dem Haus!«
    Während seine Großmutter um das Bett herumging und den vollkommen orientierungslosen Donovan holte, schnappte Sam sich die Gasflasche und schleuderte sie nach draußen. Eine Gefahr weniger . . . Dann nahm er den Frisierhocker und stellte ihn als Trittbrett vors Fenster.
    »Samueeeel!«
    Tante Evelyn tauchte aus dem Dunkel auf, dicht gefolgt von Alicia.
    »Samuel!«, rief sie außer Atem. »Lili . . .«
    »Was ist mit Lili?«
    »Sie ist oben in ihrem Zimmer!«
    »Lili ist hier?«
    »Ja, sie ist gestern zurückgekommen«, jammerte sie. »Sic wollte es unbedingt, sie behauptete, du würdest ohne sie niemals zurückkommen!«
    Sam spürte auf einmal einen bitteren Geschmack in sich aufsteigen. Lili hatte ihr Ferienlager verlassen ... Und jetzt lag sie da oben und schlief!«
    »Habt ihr die Feuerwehr angerufen?«, fragte er.
    »Vor drei Minuten. Sie müssen jeden Augenblick hier sein«, versicherte Alicia.
    Jeden Augenblick, natürlich .. . Nur dass die Feuerwache am anderen Ende der Stadt lag. Und bis sie einschreiten konnten . . .
    »Am Fußende des Bettes war eine Gasflasche«, erklärte Sam. »Man muss die Feuerwehr warnen, sobald sie hier ist, es könnten noch mehr davon hier herumliegen. Ich werde Lili holen .. . Alicia, du kümmerst dich um die Großeltern, ja?« Von den entsetzten Ausrufen und Warnungen hörte Sam schon nichts mehr. Schnell rannte er zurück in den Flur, seinen improvisierten Schutzmantel fest um sich geschlungen. Dicker Rauch quoll mittlerweile aus den Wänden, als schwitzte das Haus aus allen Poren ein böses Fieber aus. Die Flammen hatten sich zur Küche und zum Wohnzimmer hin verdoppelt und sie begannen, unter der Tür zur Garage herauszuschlagen. Was nichts Gutes bedeutete, zumal Grandpas Auto in der Garage parkte.
    Samuel stürzte die Treppe hinauf und gelangte problemlos auf den oberen Gang. Die beiden Schlafzimmer- seins und das seiner Cousine – hatten die Flammen schon erfasst. Er dachte kurz an seine Sachen, seinen Computer, die Fotos von seiner Mutter auf seinem Schreibtisch, an all die kleinen Dinge, die sein Leben ausmachten und die er nie wieder sehen würde . . .
    Doch alles, was jetzt zählte, war Lili.
    Er drang ins Reich seiner Cousine vor und holte so tief Luft, wie es nur ging. Die Vorhänge im hinteren Teil des Raumes brannten wie Bonbonpapier, aus dem Bücherregal schlugen jedes Mal gelbe Flammen zur Decke, wenn das Feuer auf ein neues Buch übergriff. Glücklicherweise stand das Bett gleich rechts neben der Tür, sodass die Flammen es noch nicht erreicht hatten. Mit einem Ruck zog er die Bettdecke von der schweißgebadeten Lili, die wie ein Baby zusammengerollt dalag, einen Wattebausch vor der Nase. Er schleuderte den chloroformgetränkten Klumpen beiseite und drehte sie vorsichtig auf den Rücken. Sie war schlaff wie eine Stoffpuppe ... Hoffentlich hatte sich Rudolf nicht in der Dosis verschätzt!
    »Lili? Lili, wir müssen gehen, schnell!« Er rüttelte sie an der Schulter, doch sie zeigte keinerlei Reaktion. Wie eine Tote ... Er nahm die kleine Wasserflasche vom Nachttisch und kippte ihr den Inhalt ins Gesicht – pschzzzz! machte es und

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