Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
Vom Netzwerk:
empörtes Ah! oder Oh! von sich, während Sam wie hypnotisiert auf die draußen vorbeiziehenden Lichter starrte und jeden Moment damit rechnete, im Himmel über Saint Mary einen riesigen Feuerschein zu sehen. Denn er war sich mittlerweile ganz sicher: Der Brand sollte heute Abend stattfinden. Und der Brandstifter konnte niemand anders als Rudolf sein . . . Warum hätte er sonst eine Münze herstellen sollen, die ihn genau in dieser Nacht nach Saint Mary bringen würde? Offensichtlich wendete der Tätowierte bei Sams Großeltern die gleiche List an, mit der er auch im Fall Elisa Erfolg gehabt hatte. Am Tag des Dramas – das hieß also am heutigen Tag – musste er sich irgendwo weit weg von Kanada in Szene gesetzt haben mit dem Hintergedanken, dass sein Doppelgänger aus der Zukunft in die Zeit zurückreisen und die Untat vollbringen konnte. Um sich die Faulkners vom Hals zu schaffen, ohne dass jemand etwas bemerkte . . .
    Doch dieses Mal war Samuel zur Stelle.
    Er hoffte nur, dass sie es noch rechtzeitig schaffen würden. Im Schrank des Pandits, wo Samuel die Münze gefunden hatte, stand bei der Uhrzeit: Mitternacht. Und kurz nach ihrer Rückkehr hatte die Uhr in der Buchhandlung bereits 0:34 Uhr angezeigt. Mehr als eine halbe Stunde Verspätung . . .
    »Man muss auf der Stelle die Polizei benachrichtigen!«, regte sich Helena Todds auf. »Evelyns Verlobter, also wirklich, wem kann man denn heutzutage noch vertrauen? Und wo hat er dich hingebracht, nachdem er dich gezwungen hatte, ins Auto zu steigen?«
    Alicia war an der kritischen Stelle angekommen, an der sie ihrer Mutter würde erklären müssen, dass sie durch die Zeit gereist war. Doch in dieser Sekunde hatten sie das Viertel erreicht, in dem Sams Großeltern lebten, und ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf die im Halbdunkel liegenden Häuserreihen. Nur die Straßenlaternen warfen kleine Lichtkegel entlang der Vorgärten und nur zwei oder drei Fenster waren erleuchtet.
    »Sieht alles ganz ruhig aus, oder?«, murmelte Alicia.
    »Was habt ihr denn erwartet?«, fragte ihre Mutter erstaunt. »Es ist fast ein Uhr morgens, die Leute schlafen alle!«
    Samuel drehte die Scheibe herunter und schnupperte in die Nachtluft, doch er konnte keinen verdächtigen Geruch feststellen. Der Wagen bog nach rechts in die vertraute Allee. Ein großer schwarzer Wagen kam ihnen entgegen, etwas zu schnell, mit ausgeschalteten Scheinwerfern.
    »Das ist Rudolfs Geländewagen!«, rief Sam.
    »Was, Rudolf ist hier?«, ereiferte sich Helena Todds. Was . . . was sollen wir tun?«
    »Wir müssen weiterfahren bis zu uns, schnell!«
    Sie gab Gas und endlich sahen sie etwa dreißig Meter weiter auf der rechten Straßenseite das Haus seiner Großeltern. Ungewöhnlich war, dass die Vorhänge im Erdgeschoss und im ersten Stock alle zugezogen waren. Dahinter schimmerte ein tanzender Lichtschein wie von mehreren Fernsehern, die alle das gleiche orangegelbe Bild ausstrahlten.
    »Zu spät«, stieß Sam hervor. »Er hat das Feuer bereits gelegt.«

 
22. 
    Im Feuer
     
    Helena Todds parkte mit quietschenden Reifen auf dem Gehweg und Sam sprang aus dem Wagen.
    »Ruft die Feuerwehr!«, schrie er. »Schnell!«
    »Bleib hier!«, versuchte Alicia ihn zurückzuhalten. »Die Rettungskräfte werden bald da sein. Es ist zu gefährlich!«
    Doch Sam setzte bereits über Grandpas Blumenbeete hinweg und rannte auf die Haustür zu. Er steckte seinen Schlüssel ins Schloss, doch der wollte sich nicht umdrehen lassen, durch irgendetwas blockiert. Daraufhin lief er zum Wohnzimmerfenster, nahm im Vorbeilaufen einen dicken Stein auf und warf ihn in die Scheibe. Die zersprang m tausend Scherben und er konnte durch die Öffnung den Griff fassen und den Fensterflügel öffnen. Alicia stand plötzlich hinter ihm und berührte ihn leicht an der Schulter.
    »Ich weiß, ich kann dich nicht davon abhalten, Sam«, sagte sie leise. »Was auch passiert, ich möchte, dass du weißt, dass ich bei dir bin, einverstanden?«
    Samuel strich ihr über die Wange und kletterte durchs Fenster. Er schob den Vorhang beiseite. Dieser Teil des Wohnzimmers war noch nicht von den Flammen erfasst worden, aber man hatte den Eindruck, dass im ganzen Haus ein riesiger Heizkessel brummte, man hörte ein Rauschen und entferntes Knistern. Richtung Eingangshalle sah Sam die Flammen aus der Küche schlagen und aus dem Flur, der zu Evelyns Schlafzimmer und dem seiner Großeltern führte. Ein durchdringender Benzingeruch lag in der Luft, vielleicht kam er

Weitere Kostenlose Bücher