Der magische Reiter reiter1
und der alte Mann starrte sie an. »Hmpf. Kein Benimm, hä?«, sagte er. »Ich weiß wirklich nicht, welche Ausbildung man euch Boten heutzutage zuteilwerden lässt. Spence! Diese Person hat Wein über mich verschüttet.«
Sofort huschte eine Frau in der Uniform der Provinz Mirwell an die Seite des Mannes und tupfte mit einem Tuch seinen scharlachroten Überwurf ab. Die Frau war hochgewachsen
und attraktiv, doch ihr Gesicht war ausdruckslos. Dann blitzte ihre Brosche mit dem geflügelten Pferd im Licht auf. Karigan öffnete den Mund und wollte sie schon ansprechen, als ein kaum wahrnehmbares Kopfschütteln der Frau sie zurückhielt.
»T-tut mir leid«, murmelte Karigan. »Es wird dir erst richtig leidtun«, sagte der alte Mann, »wenn du mich noch einmal anrempelst.« Er schnüffelte. »Wenigstens hast du einen guten Geschmack, was Wein betrifft.«
Alton tauchte wieder auf, und bevor sie darüber nachdenken konnte, was es zu bedeuten hatte, dass eine Mirwellerin eine Reiterbrosche trug, ergriff er sie am Ärmel und zog sie auf die Tanzfläche. Die Musik setzte wieder ein, und ein schadenfroher Ausdruck huschte über sein Gesicht. Er nahm ihren Kelch und stellte ihn auf das Tablett eines vorbeikommenden Bediensteten. Dann umfasste er ihre Hände mit seinen und wirbelte sie auf der Tanzfläche in atemberaubendem Tempo im Kreis, auf magische Weise eins mit der Musik und den anderen Tanzenden. Karigan stolperte, doch Alton half ihr, den Takt wiederzufinden.
Der Tanz ähnelte den Reels, die sie von Clansfesten her kannte – die Musik war hier nur ausgelassener. Ihr Magen entkrampfte sich, und der Tanz nahm ihr etwas von der nervösen Spannung. Sie gab sich dem Rhythmus der Drehungen hin, und ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen wie beim Wilden Ritt, so schwindelerregend war es, und sie glaubte schon, womöglich ihre Fassung zu verlieren und durch den Saal zu fliegen.
»Sieh mich an«, sagte Alton, »dann wird dir nicht schwindelig. « Er grinste sie an, während sie sich weiter im Kreis drehten.
Stattdessen schloss Karigan die Augen und stellte sich vor, auf einem Pferd zu sitzen. Das Rauschen der langen Gewänder klang wie Wind, und ihr Herzschlag war der Rhythmus von Hufgetrappel. Hufgetrappel. Sie schüttelte den Kopf, konnte den Rhythmus, der mit dem Tanz verschmolz, jedoch nicht loswerden – er wurde sogar noch schneller.
Alton ließ ihre Hände los, und sie wirbelte zu einem anderen Partner weiter. Sie fand sich von Angesicht zu Angesicht dem Eleter gegenüber. Er nickte ihr mit einem Lächeln zu, als wisse er etwas, was sie nicht wusste, und setzte den Tanz mit ihr fort.
Karigans Herz klopfte heftiger – so heftig, dessen war sie gewiss, dass jeder es hören konnte, besonders der Eleter. Der Blick seiner hellblauen Augen, Augen wie der winterliche Himmel, begegnete ihrem, bevor er ihn woandershin richtete und das Geheimnis seines Blicks mitnahm.
Die Musik hörte auf, und er ließ ihre Hände los. Sie sah atemlos zu, wie er mit einer Verbeugung davonging, während die Zuschauer sie beobachteten, die Frauen von Neid erfüllt. Karigans Wangen brannten, und sie verließ so hastig und würdevoll wie möglich die Tanzfläche. Sie folgte einem Strom frischer Luft zum Balkon. Niemand sonst war hier, und sie trat an die Brustwehr, die Hand auf dem pochenden Herzen, um seinen Schlag zu bändigen.
Der Mond hing am Himmel wie eine dicke Silbermünze, und ein Strahlenkranz leuchtete um ihn herum. In einer Ecke des Balkons war auf einem Dreibein ein Messingteleskop aufgebaut, das auf den Mond ausgerichtet war. Sie legte die Hände auf die Brüstung und strich damit über den glatten Granit, das Werk des Steinmetzclans D’Yer.
»Du tanzt gut.« Alton stand hinter ihr.
»Ich habe dich nicht kommen hören«, sagte sie.
»Die Musik setzt wieder ein. Möchtest du weitertanzen?«
»Das hat mir für heute gereicht.«
»Karigan, der Eleter …«
»Ich … ich will nicht über ihn sprechen.« Sie schauderte bei der Erinnerung an diese kühlen Hände und das unergründliche Geheimnis, das seine blauen Augen bargen.
»Na schön.« Altons Miene drückte deutlich aus, dass er es nicht verstand, doch er wollte sie nicht bedrängen. Lange Zeit standen sie einfach nur schweigend da. Schließlich räusperte sich Alton. »Tut mir leid, dass ich dich so einfach ins Getümmel gezogen habe.«
»Das Tanzen hat Spaß gemacht«, erwiderte sie. »Es sind die Adligen, die ich nicht …« Sie hielt inne und erinnerte sich, mit
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