Der magische Reiter reiter1
Haar. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin klopfte Miss Bayberry an die Tür.
»Kind, bist du bereit für den Tee?«
Karigan öffnete die Tür einen Spalt und lächelte. »Ja, ich bin bereit. «
»Sehr schön. Bunch erwartet uns schon im Salon.«
Bunch?
Auf ihren Stock gestützt, führte Miss Bayberry Karigan in den eindrucksvollsten Raum von allen. Sie saßen auf einem Plüschsofa gegenüber einem weiteren Ofen. In die Armlehnen des Sofas waren Blütenblätter und Kolibris geschnitzt. Sonnenschein fiel durch ein breites Fenster und hüllte den Raum in warmes, bernsteinfarbenes Licht.
Die Pummelige – »Bunch«, wie Karigan annahm – trug auf einem Tablett ein silbernes Teeservice herein und stellte es vor ihnen auf einem Tisch ab.
»Wir nehmen das Silber nur für besondere Gäste«, sagte sie. »Nicht, dass wir sehr oft Gäste haben, ob nun besondere oder nicht. Gewöhnlich ist es ein sauertöpfischer Fremder,
der sich in den Wäldern verirrt hat. Ich nehme an, das Bad war angenehm.«
» Oh — einfach herrlich!« Der Ausdruck war für Karigan nicht gerade typisch, doch in einem so prunkvoll eingerichteten Haus und in Gesellschaft dieser beiden Damen schien er angemessen zu sein.
Bunch schenkte Tee ein. »Honig und Sahne? Nein, nicht für dich, meine liebe Bay. Du weißt doch, was Sahne mit deiner Verdauung anstellt. «
Miss Bayberry hmpffte zur Antwort.
Butterkekse, Teekuchen und Pfundkuchen wurden zum Tee gereicht, und während die Damen sich über die Eigenarten des Wetters und der Gartenpflege unterhielten, wirbelte und quirlte es in Karigans Kopf wie die Sahne im Tee, besonders, als Bunch eine vierte Tasse einschenkte, die sie zuvor auf einem unbenutzten Stuhl abgestellt hatte.
Miss Bayberry bemerkte, dass Karigan die Teetasse beäugte. »Leider konnte dein anderer Begleiter uns nicht Gesellschaft leisten. Letitia will ihn nicht im Haus haben. Sie war unerbittlich.«
Karigan hielt es nicht länger aus. »Begleiter? Was für ein Begleiter? Ich reise allein.«
»O mein Gott. Du musst ja schrecklich unaufmerksam sein.«
»Oder verblendet«, sagte Bunch nicht ohne Mitgefühl.
»Ich bezog mich natürlich auf deinen Begleiter, den du Pferd nennst. Ich versichere dir, auch wenn er uns nicht zum Tee Gesellschaft leisten kann, wird der Stallbursche gut für ihn sorgen.«
»Pferd.« Karigan rutschte unruhig auf ihrem Platz herum und fragte sich, ob die Frauen verrückt waren. »Und der andere? «
Bunch und Bayberry wechselten einen erstaunten Blick.
»Wenn du das nicht weißt, meine Liebe«, sagte Miss Bayberry, »dann ist es nicht an uns, dir davon zu erzählen.«
»Ach, nun komm schon, Bay. Sie wird uns noch für alte Närrinnen halten, die sie nicht mehr alle unter der Haube haben. Mein liebes Kind, dich begleitet ein Geist.«
Der Schluck Tee blieb Karigan im Hals stecken, und sie würgte heftig.
»Oh!«, ärgerte sich Bunch. »Ich sagte Letitia doch, sie soll die Nüsse aus dem Teekuchen lassen.«
Miss Bayberry schlug Karigan kräftig auf den Rücken.
»Ein Was begleitet mich?«, keuchte sie.
»Du liebe Güte«, sagte Bunch. »Taub ist sie auch noch.«
»EIN GEIST!«, brüllte Miss Bayberry durch trichterförmig vor den Mund gehaltene Hände.
»Bitte«, sagte Karigan, der die Haut auf dem Rücken brannte und die Ohren klangen, »ich höre ganz gut.«
»Aha.« Miss Bayberry hob skeptisch eine Braue. »Du wirst von einem Schatten begleitet. Einem Phantom, einem Schemen, einem Gespenst. Du weißt schon, meine Liebe, einem Geist.«Ihr lässiger Umgang mit dem Thema war nervtötend. »Er folgt dir. Du, oder etwas, was du bei dir hast, bindet ihn an die Erde.«
Karigan erbleichte. Sie hatte natürlich schon Geschichten von toten Verwandten gehört, die jene unter ihren Liebsten heimsuchten, die noch lebten. Es gab viele Geschichten von Geistern, die in den Gebäuden von Selium umgingen, doch sie hatte ihnen niemals viel Glauben geschenkt.
»Nun schau, was du angerichtet hast, Bay! Du hast das Kind aufgeregt!«
»W-wie könnt Ihr diesen Geist sehen?«, fragte Karigan.
»Ganz einfach, so, wie wir dich auch sehen.« Bunch drehte ihre Teetasse in der Hand. »Er trägt Grün und hat schwarzes Haar, das ihm bis auf die Schultern fällt. Aus seinem blutverschmierten Rücken, der nicht trocknen will, ragen zwei Pfeile mit schwarzen Schäften.«
»Er nennt sich F’ryan Coblebay«, sagte Miss Bayberry.
Karigans Hände zitterten. Wie konnten sie wissen, wie er aussah oder ums Leben gekommen war,
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