Der magische Reiter reiter1
der Ferne verfolgte, einen Ausdruck nackten Hasses auf dem Gesicht.
Karigan schauderte. Timas hatte sich dadurch gerächt, dass er den Fall seinen hochrangigen Verwandten vorgetragen hatte, die in der Stadt lebten und die Sache wiederum
dem Rektor und dem Kuratorium zur Kenntnis brachten. Karigan hatte den Kampf angefangen. Sie trug die Schuld.
Die Szene verblasste; und mit ihr Timas’ Gesicht, der ihr von der anderen Seite des Übungsfelds aus einen lodernden Blick reinsten Hasses zuwarf.
Karigan bemühte sich nach Kräften, sich von den schrecklichen Versionen loszureißen, doch das Teleskop war noch nicht fertig mit ihr.
Das helle Tageslicht wich finsterer Nacht. Wenig war zu sehen, bis auf einen Reiter mit grauem Mantel und Kapuze auf einem schattenhaften Pferd. Der Reiter übte eine unerklärliche Anziehungskraft auf sie aus, gepaart mit Furcht. Sie wurde unerbittlich weiter auf ihn zugezogen. Er wandte sich zu ihr um. Obwohl sie sein Gesicht unter der Kapuze nicht erkennen konnte, spürte sie seinen kalten Blick, als könnte er sie dort in der Bibliothek stehen sehen. Eisige Dolche der Angst durchbohrten ihr Herz.
Wer bist du?, wollte er wissen. Wer beobachtet mich da?
Sie spürte, wie unsichtbare Blicke nach ihr suchten, spürte sein Lächeln. Der Spiegel ist von beiden Seiten durchlässig, sagte er.
Karigans Verstand schrie angsterfüllt auf.
Das Teleskop, oder vielleicht war es diesmal auch ihr eigener Wille, riss sie aus der Szene fort. Doch sie wurde direkt in eine andere geschleudert. Ein hochgewachsener Mann mit braunen, mandelförmigen Augen blickte sie traurig an. Sie konnte seine Umgebung nicht erkennen, hatte aber den Eindruck eines Raums mit Steinwänden, wie ein Burgverlies oder ein Gefängnis.
Kari, sagte der Mann, ich brauche dich. Ich brauche dich hier. Bitte nimm diese Mission nicht auf dich. Sie ist gefährlich,
und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren.
Dieser Mann brauchte sie? Wer war er, dass er so mit ihr sprach? Sie versuchte ihm etwas zu sagen, ihn zu erreichen, doch sie konnte sich weder bewegen, noch brachte sie ein Wort heraus. Welche Mission?, wollte sie fragen. Welche Gefahr?
Sein Bild flackerte, dann verschwand er, und sie fühlte sich auf unerklärliche Weise zurückgelassen, hilflos und allein. Sterne erfüllten wieder das Okular. Befreit vom Bann des Teleskops, sank Karigan schwach und atemlos auf die Knie; sie war schweißnass und zitterte am ganzen Körper, ihr Kopf dröhnte.
Sie nahm den Kristall in beide Hände und taumelte zu einem gepolsterten Sessel neben dem nie erlöschenden Feuer. Dort rollte sie sich zusammen und seufzte schwer, während die Wärme des Kristalls sie einhüllte.
INTRIGE
Karigan bemerkte erst, dass sie in dem großen Sessel eingeschlafen war, als sie von Miss Bunchberry geweckt wurde, die sie sanft am Handgelenk rüttelte.
»Abendessen, liebes Kind. Letitia hat sich selbst übertroffen. «
Karigan rekelte sich und gähnte und wäre fast mit dem Kristall in der Hand aus dem Zimmer gewandert, doch dann fiel er ihr wieder ein, und sie stellte ihn auf Professor Berrys Tisch mit den Seltsamkeiten zurück. Von allen Gegenständen in der Bibliothek schien der Kristall eine Quelle des Lichts und der Wärme zu sein und keine verkorksten Eigenschaften wie das Teleskop zu haben. Das silberne Licht erlosch, als ihre Finger ihn freigaben. Ohne sein Leuchten wirkte der Raum dunkel und wenig einladend.
»Ich muss schon sagen«, sagte Miss Bunch, als sie Karigan aus dem Zimmer führte, »es ist eine ganze Weile her, seit ich den Mondstein leuchten gesehen habe. Auf Bay und mich spricht er nicht an.«
»Mondstein?«
»O ja. Er enthält einen silbernen Mondstrahl.«
Kribbelnd stellten sich die Haare in Karigans Nacken auf. »Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass er wirklich … «
»Aber natürlich. Vater hat ihn vor Jahren von einem Eleter bekommen.« Miss Bunchberry lächelte, und ihr Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an. »Ich mag die Geschichte von Laurelyn der Mondträumerin und wie sie ein Schloss aus silbernen Mondstrahlen erbaute, du nicht? Silbergeist hieß es. Mein Vater wollte sich auf die Suche danach machen, doch andere Projekte lenkten ihn davon ab, und ehe er sich versah, war er zu alt für das Abenteuer.«
Laurelyn die Mondträumerin. Karigan hatte die Geschichte als kleines Kind gehört und schon lange nicht mehr daran gedacht. Doch sie erinnerte sich sofort wieder daran, wie sie von den schützenden
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