Der magische Reiter reiter1
hätten. Er trat gleich bis zum Schreibtisch vor und richtete sein Augenmerk auf das Schiffsmodell. »Ich bin schon auf einigen dieser Rahsegler gefahren«, sagte er.
»Ich, äh …« Geyer fuhr sich mit den Fingern durch das weiße Haar und kicherte nervös, wie ein Kind, das man dabei erwischt hat, wie es seinen Finger in den Honigtopf stippt. »Ich habe es auch ein-, zweimal versucht, aber, äh … die Seekrankheit, versteht Ihr?«
Stevic zog die Brauen zusammen. »Ihr habt das Bugspriet ans Heck geleimt.« Er schnalzte entsetzt. »Und seht nur, hier …«, er deutete auf den hinteren Bereich der Takelage, »habt Ihr den Klüver angebracht, wo doch der Besan hingehört. «
Er stellte sich wieder aufrecht hin, die Beine gespreizt und die Hände an den Hüften, und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Rektor. Er musterte ihn ebenso kritisch, wie er es bei dem Modell getan hatte, als befände sich auch bei ihm nicht alles am richtigen Ort. Geyer schluckte und zwirbelte ein Stück Schnur um den kleinen Finger. Er wollte etwas sagen,
doch unter Stevics abschätzendem Blick brachte er kein Wort über die Lippen.
»Ich bitte mein Eindringen zu entschuldigen, Rektor«, sagte Stevic schließlich, »doch Euer Schreiben machte mein sofortiges Kommen unumgänglich. Ich habe noch nicht einmal meine Tochter gesehen.«
Der Rektor wurde blass und schien zu zittern. Dann bekam er sich wieder in die Gewalt und deutete zu einem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs. »Na… natürlich. Bitte setzt Euch doch. Die lange Reise wird Euch erschöpft haben. Von Korsa, wenn ich nicht irre.«
»Ihr irrt nicht.« Stevic zog sich den Stuhl mit der Lederpolsterung heran. »Und ich setze mich auch, obwohl ich keineswegs erschöpft bin. Was ich wirklich will, Rektor, sind Antworten. Weshalb habt Ihr meine Tochter von der Schule verwiesen?«
Rektor Geyer ordnete seinen Leimtopf und die Schnitzmesser auf der Schreibtischplatte neu an und nahm dann einen unbefestigten Modellmast in die Hand, drehte ihn zwischen den Fingern. Er schien nicht bereit zu sein, Stevic in die Augen zu sehen.
»Nicht verwiesen, das eigentlich nicht. Vorübergehend vom Unterricht entbunden. Wisst Ihr, ihre Noten ließen nach, und sie hat sich mit anderen Schülern gestritten.«
»Das ist kein Grund, sie … vom Unterricht zu entbinden.«
»Ich fürchte schon. Wir dulden kein Gezänk auf dem Schulhof. Rangeleien lassen sich mit den Prinzipien der Schule nicht vereinbaren.«
»Rangeleien?«, erwiderte Stevic. »Meine Tochter nimmt nicht an Rangeleien teil.«
Der Rektor formte mit seinen Fingerspitzen ein Dreieck.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Dann nennt es Kampf. Einen Kampf, den sie angezettelt hat. Zum Glück wurde der andere beteiligte Schüler nicht verletzt.«
»Das glaube ich nicht.«
»Mag sein, doch die Familie des Schülers hat sich beim Kuratorium beschwert. Außerdem solltet Ihr wissen, dass ihre schulischen Leistungen zu wünschen übrig ließen.« Der Rektor entspannte sich, als er Karigans Unzulänglichkeiten schilderte. »Sie hat kaum am Unterricht teilgenommen, und bei den Prüfungen waren ihre Noten eher mittelmäßig und unserem Standard nicht angemessen. Das allein wäre schon ein hinreichender Grund für den Verweis von der Schule. Nachdem sie vor diesem Hintergrund auch noch einen Kampf angezettelt hatte, beschloss das Kuratorium, dass Karigan eine Weile zu Hause verbringen sollte, um sich noch einmal die Gründe zu überlegen, weshalb sie hier ist.«
Stevics Gesicht war vor Wut rot angelaufen. »Meine Tochter ist nicht mittelmäßig. Und sie ist auch kein Rüpel, der herumläuft und Kämpfe vom Zaum bricht.«
Geyer breitete die Arme weit aus, um anzudeuten, dass er auf die Sache keinen Einfluss hatte. »Als Vater dürft Ihr mit Fug und Recht so für Euer Kind empfinden. Unnötig zu sagen, dass das Kuratorium eine andere Meinung über sie hat. Man hofft, dass sie sich, wenn sie ihr bisheriges Verhalten genügend überdacht hat, ändern wird und wieder nach Selium zurückkommt … irgendwann.«
Stevic umklammerte die Stuhllehnen und hatte das Gefühl, jeden Moment zu explodieren. »Ich werde mit dem Kuratorium reden. Wenn man mir nicht zu meiner Zufriedenheit Rede und Antwort steht, werde ich meine Zuwendungen an dieses Institut einstellen. Falls nötig, werde ich mit dem Goldenen
Kustos persönlich sprechen, doch zuerst will ich meine Tochter sehen. Ich muss mir erst noch ihre Seite der Geschichte anhören.«
Wieder
Weitere Kostenlose Bücher