Der magische Wald
wenn ich allein gehen muß.« »Du wirst nicht allein gehen«, sagte Cat mit belegter Stimme. Mit düsterer Miene blickte sie in den Wald.
»So sei es denn«, sagte Mirkady und spuckte in das Feuer. Es zischte überlaut, als sein Speichel die Glut traf, und das Feuer knisterte laut. Michael fuhr herum. »Was tust du da?« »Ich sorge dafür, daß ihr möglichst lange ungeschoren bleibt. Wyr-Feuer, Michael Fay. Ich tue euch einen Gefallen.« Das Feuer wurde größer, hüfthoch, schulterhoch, und dann war es höher als Michaels Kopf, eine dünne Flammenspirale, die schnell dunkler wurde. Sie wurde erst blau, dann grün, und plötzlich wurden ihre Gesichter in ein flackerndes, unterwasserartiges Licht getaucht. Das Feuer hatte jetzt die gleiche Farbe wie die Flammen, die die Kobolde verschlungen hatten. »Wyr-Feuer«, sagte Mirkady. »Ein Geschenk des Waldes an die Wyrims. Das Mark der Erde in Flammenform.«
Er beugte sich vor, so daß die Flammen sein scharfgeschnittenes Gesicht umschmeichelten, durch seinen Haarschopf strichen, um seine Augen leckten. Das smaragdgrüne Leuchten seiner Augen war fast identisch mit dem Feuerschein. Für ein paar Sekunden sah es aus, als weinte er glühende Tränen. Dann atmete Mirkady scharf ein. Seine schmale Brust dehnte sich enorm, und das grün flackernde Feuer wurde durch seinen offenen Mund gesaugt, rann ihm wie Wasser durch die Kehle. Das Lagerfeuer nahm wieder seine gewöhnliche Gelbfärbung an, aber Mirkady stand zum Bersten angeschwollen vor ihnen. Zuerst ging er zu Cat hinüber und preßte plötzlich seine schwarzen, lederartigen Lippen auf ihren Mund. Michael fuhr zusammen. Dann schien Mirkady auszuatmen. Cat zuckte zurück, aber die Finger der kleinen Kreatur krallten sich in ihre Schulter und hielten sie fest. Eine größere, schwerere Hand in Michaels Nacken hinderte ihn daran, aufzustehen, und hinter ihm sagte Dwarmo mit seiner polternden Stimme: »Du brauchst keine Angst zu haben. Mirkady erweist euch eine Wohltat, wahrlich einen großen Gefallen. Sitz still.« Mirkady gab Cat frei, und sie stolperte blinzelnd rückwärts. Michael wand sich mit aller Kraft, aber Dwarmos gewaltige Kraft hielt ihn fest. Mirkadys laubtrockene Lippen legten sich leicht auf seinen Mund. Er fühlte sich, als würde ihm plötzlich ein Sturm durch den Mund wehen; ein heißer Hauch schoß durch seine Kehle und wärmte seinen Schlund wie Wein. Er raste durch jeden Nerv und jede Ader seines Körpers, und Michael dachte, daß er vielleicht aufglühen würde wie ein Neonschild, wie ein übermäßig mit Kerzen bestückter Weihnachtsbaum. Das Feuer explodierte in seinem Gehirn und schoß durch alle Neuronen, in jede Zelle — und der Wald war in dem Licht, in seinem Bewußtsein. Er schoß aus heißer Finsternis durch Fels und Lehm und Erdschichten, durch Wurzelgewirr und Baumstämme, spürte die Jahreszeiten vorbeirasen wie einen Windhauch auf der Rinde, hinaus in die raschelnden Blätter, ins warme Sonnenlicht, die laue Luft wie Blut in seinen Adern. Er wurde losgerissen, schwebte zu Boden, zurück zur Erde, in den Lehm und den Felsboden, um den Kreislauf wieder zu beginnen. Das Feuer schien ihm warm und gelb ins Gesicht, und das Gewicht auf seiner Schulter war Dwarmos Hand, die verhinderte, daß er stürzte. Benommen sah er sich um. Mirkady saß wieder am Feuer, wirkte gleichzeitig amüsiert und ernst. Cat sah so durcheinander aus, wie er sich fühlte. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie eine Fliege vertreiben. »Was hast du getan?« fragte er Mirkady. Er schwankte, als Dwarmo ihn endlich losließ. »Ich habe euch ein Geschenk gemacht, das die Waldwesen im Umkreis von Meilen riechen können. Ihr könnt es jetzt selbst entfesseln, du und Catherine, aber nur ein einziges Mal. Die Geschöpfe des Waldes werden euch für Wyrims halten, bis ihr das Feuer freigelassen habt. Wenn es euch verläßt, werdet ihr wieder menschlich sein, reines Schlachtvieh in diesem Teil der Welt. Vergeßt das nicht.« »Wie können wir es entfesseln?« »Das wirst du dann spüren, Weitgereister, wenn die Notwendigkeit es gebietet. Aber denk daran, daß ihr es nur einmal benutzen könnt.« Dwarmo erhob seinen dunklen Baß. »Es ist ... eine Ehre, die euch widerfährt. Es ist keine Sache, mit der unser Volk freigebig ist.« »Warum hast du es dann getan?« fragte Michael Mirkady. »Weil ich deine Lady liebe.« Mirkady und Cat starrten sich an. Michael sah den Wyrim betroffen an. »Und weil ich glaube, daß ihr etwas
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