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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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man das Dröhnen eines der roten Busse, die durch die Straßen pflügten. Er lehnte sich an den Tresen und zündete sich eine Zigarette an, obwohl die Besitzerin es verboten hatte. Clare. Das war eine Sache für sich.

    Es war keine gute Idee, etwas mit einem zehn Jahre jüngeren Mädchen anzufangen, das an wahre Liebe und Ehre und so etwas glaubte. Aber es war nett. Er mochte ihre Eleganz, ihre städtische Erscheinung. Ihr Make-up war fehlerlos. Die Stadt bedeutete ihr ein und alles. Ein Gesicht erschien kurz am Fenster des Pubs. Ein breites Grinsen, zwei grüne Schlitzaugen, spitze Ohren. Mirkady? Er stürzte hinter dem Tresen hervor, riß die Tür auf und blickte hinaus in die ruhige Nacht, auf die Straße im Schein der Laternen. Nichts. Sein Herz hämmerte, drohte ihm die Brust zu sprengen. Er preßte die Faust auf sein pochendes Brustbein, während sein Blick verschwommen wurde, die Straßenlampen sich in Sterne verwandelten.

    Schwankend ging er zurück hinter den Tresen. Erstaunte Blicke folgten ihm. Ein eisernes Band hatte sich um seinen Brustkorb gelegt, schnürte ihn unerträglich ein und preßte seine Lungen zusammen. Er ging hinüber zu den Flaschenreihen und schob ein Glas unter das Füllventil des Brandys. Dann rann das Zeug ihm wärmend durch die Kehle. Ein paar Gäste am Tresen fragten, ob er Hilfe brauchte. Er winkte ab. Herr im Himmel, dachte er, ich werde alt. Ich sterbe hier. War es Mirkady gewesen, da draußen auf der Straße? Er war sich nicht mehr sicher. Nach so langer Zeit sah ein boshaftes Gesicht aus wie ein anderes. Sein Mund verzerrte sich zu einem schaurigen, freudlosen Grinsen. Der Druck auf seiner Brust ließ nach, seine Lungen atmeten wieder. Die Welt beruhigte sich, und er konnte über die Besorgnis der alten Kerle lachen, sich darüber lustig machen. Der Rest des Brandys tat ein übriges, und einer der Rentner spendierte ihm noch einen. War nicht böse gemeint. Er hob dankend das Glas. Was geschah mit ihm? In jedem Schatten sah er ein Monster. Die Stadt hatte nach Einbruch der Dunkelheit etwas, das ihn an den Wildwald erinnerte. Etwas Beobachtendes. Es war nicht nur Einbildung. Als er mit Clare abends spazierengegangen war, war ihnen etwas gefolgt. Er hatte weiche Pfoten hinter sich auf dem Bürgersteig gehört. Zu sehen war natürlich nichts gewesen. Und dann war da die Nacht gewesen, in der ihn Hufschlag auf der Straße vor seiner Wohnung geweckt hatte. Ohne das Geräusch von Hufeisen. Die Hufe waren nicht beschlagen gewesen; kein Pferd war im Wildwald beschlagen. Er hörte früher auf zu arbeiten; seine Entschuldigung, daß er sich nicht wohl fühlte, wurde von den Kunden bestätigt. Die Besitzerin sah ihm nur kurz ins Gesicht und ließ ihn dann zu seiner Überraschung ohne eine Bemerkung gehen. Er begriff erst, als er auf dem Weg nach draußen sein Spiegelbild in dem Spiegel hinter der Bar sah, ein Anblick, denerinletzter Zeit zu hassenbegonnen hatte. Sein Gesicht war aufgedunsen wie immer, das Haar schien noch dünner geworden zu sein, aber er war kalkweiß im Gesicht, und seine Augen waren schreckensgeweitet. Voller Selbstekel und Angst verzog er den Mund, als er den Pub verließ. Hinaus in die Dunkelheit und den Verkehr, in die lange Straße, in der nur wenige Menschen waren, die zum Teil vorbeieilten, zum Teil schlenderten. Es war einfach zu ruhig hier, selbst wenn Mirkady hier irgendwo über ihn wachte.

    Würde er überhaupt über ihn wachen? Er und seine Artgenossen hatten sich zurückgezogen, hatten Cat und ihn nach den Ereignissen im Wolfswald allein gelassen. Vielleicht hatte er sich mittlerweile mit den Werwölfen und dem Schwarzen Reiter verbündet. Vor ein paar Jahren wären ihm solche Gedanken nicht gekommen. Die Erinnerungen waren damals nicht so deutlich gewesen. Sie waren tief in seinem Bewußtsein begraben, und der Gedanke an Feen oder Kobolde wäre absurd gewesen. Das war jetzt anders. Es war kein Märchen. Er guckte ängstlich in dunkle Winkel, als er nach Hause ging, aber niemand belästigte ihn. Nur als er einen völlig einsamen Platz überquerte, hatte er den Eindruck, daß sich hinter ihm im Schatten etwas bewegte. Er blieb stehen und sah genauer hin. Aber es war nichts.

    Clare öffnete ihm die Tür und zog ihn hinein in das Licht. Es roch appetitlich nach Essen. Sie war Vegetarierin, und als sie bei Kerzenlicht ihre Nudeln aßen, mußte er schmunzelnd daran denken, was Cat oder auch er selbst -damals von einem solchen Essen gehalten hätten. Clare

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