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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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den weißen Schnurrbart ab und blickte ihn mit diesen seltsamen Augen an. »Du hast mich vor den Wölfen gerettet«, sagte er. »Du hast mir den Weg nach Hause gezeigt.« »Tatsächlich?« Sie verzog lächelnd einen Mundwinkel.

    »Kannst du das noch einmal tun? Kannst du mir jetzt den Weg nach Hause zeigen, bevor es dunkel wird?« »Du willst schon gehen?« »Ich muß. Sie werden sich Sorgen machen.« Er wollte nicht gehen. Es war nicht so, daß er sich nicht mehr fürchtete, aber was für einen angsteinflößend ist, kann zu zweit ein Abenteuer sein. Und es war so schön, sie anzusehen. »In Ordnung.« Ginsterblüten. Das war es. Sie roch nach gelben Ginsterblüten, ein Sommerduft, der Visionen von kurzgeschnittenem Gras und hohen Zirruswolken auslöste. »Ich habe dich am Strand gesehen«, sagte er. Ihre Augenbrauen wirkten in dem schwindenden Licht wie zwei schwarze Balken, und das Haar umschattete ihr Gesicht wie eine Kapuze. Ihr raubtierhaftes Grinsen war fast erschreckend, aber er spürte keine Furcht, nur einen Anflug von Heiterkeit. Der verschwand jedoch sofort, als irgendwo im Zwielicht die Wölfe zu heulen begannen. »Arme Seelen«, sagte Cat. Ihr Blick wanderte über den gespenstischen Wald. Die Wölfe klangen einsam und verloren. Verdammt. »Der Teufel reitet an diesem Ort auf einem Pferd«, sagte Cat plötzlich zu Michael. »Er sammelt Seelen. Wenn wir hier sind, müssen wir fliehen, sobald wir Hufschlag hören.« »Er hat Rose«, sagte Michael, und der Gedanke versetzte ihm einen heftigen Stich. Er hatte keine Ahnung, wo diese Gewißheit hergekommen war, aber er wußte, daß es stimmte. Rose oder ihr Geist war tief ihm Herzen dieses Ortes. Cat fröstelte, ihre Fröhlichkeit war für einen Moment verschwunden. »Komm, ich bringe dich fort von hier, zurück in deine Welt.«

    Sie standen zusammen auf, waren plötzlich von dem gleichen Schrecken erfüllt. Der Wald war voller dunkler Schatten. Etwas, das so finster wie die Schatten war und sich doch von ihnen abhob, bewegte sich zwischen zwei Bäumen. Aufrecht, mit einer langen Schnauze und spitzen Ohren. Es blieb stehen und verharrte kaum fünfzig Meter entfernt von ihnen, beobachtete sie. Cat ergriff Michaels Hand. Das Weiße in ihren Augen war zu sehen wie bei einem Pferd, das Feuer riecht. »Renn!« Er konnte sich später nur noch unklar an ihre wilde Flucht durch den Wald erinnern, obwohl die Risse, die die Dornen ihm zufügten, noch wochenlang zu sehen waren. Er erinnerte sich an den festen Griff ihrer Hand, mit der sie ihn hinter sich herzog, an ihre Haare, die ihm ins Gesicht flogen, ihren geisterhaften weißen Umhang in der Finsternis. Es kam ihm vor wie ein Traum. Ein Märchen, in dem er von einer Prinzessin gerettet wurde, anstatt umgekehrt. Sie kletterten über bewaldete Hügel, die er noch nie im Leben gesehen oder bestiegen hatte, platschten durch Bäche, die es nicht geben konnte. Sie rannten fast zwei Meilen weit durch ein Wäldchen, von dem er wußte, daß es kaum hundert Meter groß war. Und die ganze Zeit über war der Schatten hinter ihnen, schnell und geräuschlos, manchmal auf allen vieren, manchmal aufrecht. Hinter dem Schatten erfüllte das Gekläff des Rudels den Wald. Er wußte nicht mehr, wie lange sie schon unterwegs waren. Ihn verließen langsam die Kräfte, während Cat unermüdlich zu sein schien. Schließlich schleppte sie ihn mehr, als daß er sich selbst vorwärts bewegte, und absurderweise fiel ihm sogar in diesem Moment die federnde Geschmeidigkeit ihres Körpers auf. Eine letzter Hügel, sagte sie. Fast am Ziel. Und plötzlich fanden sie sich hoch über den Bäumen wieder. Vor ihnen erstreckte sich ein Tal im Licht der sternklaren Nacht. Es war das Tal des Bann, in dem Michael zu Hause war. Er kannte die Kontur der Landschaft so gut wie seine eigenen Gesichtszüge, von dem langen Abhang des Plateaus im Osten bis zum Fluß und den flachen Hügeln, die sich bis zu den Sperrin-Bergen weit im Westen erstreckten. Kein einziges Licht war in der weiten Landschaft zu sehen. Kein Haus, kein Dorf, keine Stadt. Das Land war so dunkel und leer wie eine unerforschte Wildnis. Genau das war dieser Ort, begriff er. Wildnis. Und manchmal vermischten sich diese Welt und seine. Während er in das Tal hinabsah, sah er in ein paar Meilen Entfernung in den Hügeln, die zu den Bergen führten, eine Flamme auflodern. Wahrscheinlich ein großes Feuer, das man zwanzig oder fünfundzwanzig Meilen weit sehen konnte.

    Cat rüttelte ihn am Arm

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