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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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einer Seite ihres Halses herunter. »Was hast du gemeint, als du gesagt hast ›meiner‹? Daß ich dir gehöre?« »Und ich dir«, sagte sie, den Blick starr in das Feuer gerichtet. »Wir gehören zusammen.« Verblüfft zog er seine Hand zurück. Er mußte pinkeln, konnte es aber nicht, solange sie hier war. »Hör zu, Michael.« Sie wirkte plötzlich lebhaft, wandte ihm das Gesicht zu. Sie nahm seine Hände in die ihren. »Wie würde es dir gefallen, woanders hin zu gehen? An einen seltsamen Ort, weit weg von hier, den du noch nie gesehen hast?« »Die Wölfe ...«, begann er zweifelnd. »Es gibt dort nicht nur Wölfe, sondern auch viele andere Dinge. Schlösser und Kathedralen, Städte und Segelschiffe. Es ist eine ganze Welt, Michael.« Er erinnerte sich an den kurzen Einblick, der ihm gewährt worden war, an das leere Land des Bann-Tals mit dem einsamen Licht in der Dunkelheit. Werwölfe und Wildnis. Traum oder Alptraum? Er wußte es nicht. Aber dies hier war wirklich: dieses Mädchen und das, was sie getan hatten. Sie war so wirklich wie die Erde, das Holz und die Steine, so echt wie er selbst. Obwohl er der einzige war, der sie sehen konnte. »Ich weiß nicht.« Es war schon spät. Seine Großmutter würde sich Sorgen machen. Wie lange war er schon hier draußen? »Du glaubst, es ist ein Märchen, Michael, aber das ist es nicht. Es liegt alles da draußen. Ich könnte dir Sachen zeigen ...«Ihre Hand streichelte seinen Bauch. »Ich ... ich weiß nicht. Es ist schon spät. Ich muß gehen.« »Sie werden sich Sorgen machen. Das hast du schon einmal gesagt.« Er empfand ein merkwürdiges Schuldgefühl. »Ist dir noch kalt?« »Du hast mich gewärmt.« Sein Gesicht brannte im Licht des Feuers. »Komm mit mir«, sagte sie. »Bleib bei mir.« Er stand auf, griff nach dem Gewehr und hängte dieTascheum. Er mußtejetzt wirklich dringend pinkeln. »Ich kann nicht. Ich kann nicht, Cat.« Er hatte für einen Augenblick die Vision, wie sie nebeneinander eine breite Straße entlangritten; am Horizont flatterten Flaggen über einem Schloß. Der Ritter und seine Lady, wie im Roman.

    Der Wald war still und dunkel, Wasser tropfte von den Blättern. Seine Kleider waren schlamm verschmiert. Er fühlte sich dumm und tölpelhaft. Cats Augen lagen wie dunkle Löcher in ihrem Gesicht. Er wollte es noch einmal mit ihr tun, und er schämte sich dafür. »Ich liebe dich, Michael.« Sein Herz klopfte für einen Moment schneller, und er mußte lächeln. Sie grinste ihr breites Grinsen und erhob sich ebenfalls. Ihr Umhang war ein wirres Muster von Hell und Dunkel, von weißer Baumwolle und schwarzer Erde. Auch ein paar Blutflecken, stellte er fest, ein erdbeergroßer Fleck in Höhe ihrer Hüfte. Hatte er sie verletzt? Sie umarmte ihn, als sei er ein kleines Kind, so wie Rose ihn in den Gewitternächten umarmt hatte. Ihre Augen waren auf gleicher Höhe. Ich bin groß, dachte er. Kein Baby mehr. Vielleicht schon ein Mann? »Ich werde nicht gehen«, sagte er, als sie ihn in die Hütte schob und ihm mit geschickten Fingern die Knöpfe öffnete. »Oh, ich weiß.« Er mußte nicht mehr pinkeln. Er sah sie vor sich stehen, sah, wie der Umhang zu Boden glitt und wie eine bleiche Pfütze zu ihren Füßen lag. Dann war sie bei ihm, über ihm, unter ihm, und ihr Geruch durchdrang ihn, und er staunte, wie herrlich es war, diese verbotenen Stellen zu berühren. »Meiner«, hauchte sie, als er in sie eindrang. »Ganz allein meiner.« Sie ließen das Feuer erlöschen und bemerkten nicht, wie der Mond aufging. Er hob sich über einem endlosen Wald. Meilen über Meilen bedeckte er das Land, brandete wie ein dunkles Meer an die Ausläufer der Berge. Die Bäume recktenihre alten Äste den Sternen entgegen, und zu ihren Füßen schlängelten sich silberglänzende Flüsse geduldig einem unbekannten Ozean entgegen. Täler und Höhen waren gleichermaßen dicht bewachsen, und in den tiefergelegenen Teilen des Landes schwebten Nebelfetzen. Hier und da erhoben sich die Türme einer Festung aus den wuchernden Eichen und Ulmen, Linden, Kastanien und Eiben. In den Flußniederungen wuchsen Weiden, Erlen und Dornbüsche, und in den höheren Lagen gab es Birken, Kiefern und Fichten. Am Boden zwischen den Bäumen erwarteten Büsche und Farn den Frühling. Straßenwandensichdurch denWald, und entlang der Straßen waren Lichtungen gerodet worden, machten Ansiedlungen dem Wald die Vorherrschaft streitig, kräuselte Rauch sich im Mondlicht. Die Häuser standen dicht

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