Der magische Wald
Ellbogen aufgeschürft waren, und es schmerzte ihn, ihre Schönheit beeinträchtigt zu sehen. Wenn man ehrlich war, mußte man zugeben, daß ein strenger Geruch von ihr ausging. Diesmal roch sie nicht nach Ginsterblüten, sondern nach sich selbst. Ein Geruch, den man nicht beschreiben konnte, gleichzeitig abstoßend und erregend. Es begann zu regnen. Die Tropfen trommelten durch das dünner werdende Laubdach der Bäume und fielen ihnen auf die Köpfe. Dichte Wolken waren aufgezogen, und es wurde jetzt schnell dunkel. Michael warf noch einen Holzscheit ins Feuer, daß die Funken stoben,und zogsichinden Schutz der Hütte zurück. Cat sah mit einem resignierten Ausdruck zum Himmel. Sie wirkt müde, dachte er, und er bemerkte erst jetzt, wie verdreckt und abgespannt sie war. Der Regen wurde dichter, zischte in den Flammen. »Komm rein«, forderte Michael sie auf. Schon klebten nasse Haarsträhnen an ihren Schläfen. »Ich mag Regen.« Sie grinste. »Ich hoffe, es gibt ein Gewitter!« Und sie sah Rose in diesem Moment so ähnlich, daß Michael sich bekreuzigte. Der Regen wurde zum Wolkenbruch. Kleine Wasserläufe schlängelten sich durch das Laub oder über den nackten Lehm, und der Regen trommelte ohrenbetäubend in die Bäume. Ein paar Tropfen drangen durch das Dach der Hütte, aber Michael hatte schon einige Schauer hier überstanden und wußte, daß der Unterschlupf dem Wetter gewachsen war. Auf dem Boden der Hütte lag eine alte Decke, und er schüttelte sie aus und winkte Cat herein. »Komm herein, du holst dir noch den Tod.« Sie hatte ihr Gesicht dem Regen zugewandt und ließ die Tropfen in den offenen Mund fallen, fing sie mit der herausgestreckten Zunge auf. Einen Moment lang sah sie ihn an, zuckte dann mit den Schultern und kam zu ihm in den Unterschlupf. Es schien plötzlich sehr eng in der Hütte zu sein. Sie war durch und durch naß. Warum mochte sie es, naß zu werden? Der Geruch, den sie ausströmte, verstärkte sich. Er spürte ihre Wärme, schon begannen ihre nackten Arme zu dampfen. Eine dunkle Brustwarze zeichnete sich deutlich unter dem nassen Stoff ihres Umhangs ab. Sie schmiegte sich an ihn, und er legte ihnen beiden die muffige Decke um die Schultern. Er war betäubt vor Erregung, benommen von ihrer Nähe. Ihre nassen Kleider ließen seine eigenen feucht werden. Ihr Haar roch nach Erde, Regen und nach einem Hauch dieses Ginsterblütendufts, sommerlich wie gemähtes Heu. Er küßte ihre nasse Schläfe, ihr Auge; das Lid zitterte unter seinen Lippen. Ihre Hand schob sich unter seinen Mantel, fand den Weg unter seinen Pullover und lag dann kalt auf seinen Rippen. Sie hatte eiskalte Finger, obwohl der Rest ihres Körpers vor Wärme dampfte. Sie schlief. »Cat?« Er flüsterte. Nichts. Also mußten sogar Feen schlafen. Er lehnte sich zurück gegen die Wand der Hütte, die bedrohlich knackte, und beobachtete den Kampf des Feuers gegen den prasselnden Regen. Cat fror stärker, bekam eine Gänsehaut, und er zog sie über seinen Schoß, beugte sich wärmend über sie und umhüllte sie mit seinem Mantel. Ich bin verliebt, dachte er und lachte leise in den Regen und den verlassenen Wald. Nach einer Weile hörte es auf zu regnen, und er schob Cat ein wenig beiseite, damit sich seine Arme entspannen konnten. Sie erwachte sofort und öffnete die Augen, die schwarzweiß im Dämmerlicht glänzten. Das Feuer bestand nur noch aus einem glimmenden, unregelmäßig qualmenden Scheit. Der Regen hatte die Nacht mit sich gebracht. Sie setzte sich fröstelnd auf. Ihr Haar ringelte sich feucht um den Kopf. Auch Michaels Kleidung war feucht, und seine Glieder waren verkrampft. Sie mußte ungefähr eine Stunde lang in seinen Armen geschlafen haben. Er kroch aus der Hütte, stand auf und reckte sich. Von den Ästen tropfte es ihm ins Gesicht. Das Feuer war fast erloschen. Er sollte nach Hause gehen. Cat saß da, die Arme um die Knie geschlungen, die Decke um die Schultern,
und starrte ihn an. »Was ist los?« fragte er sie. »Nichts ... nun, mir ist kalt, wenn du es genau wissen willst.« »Du solltest vernünftige Kleidung tragen.« »Vernünftig sagt er.« Sie rieb sich vorsichtig die aufgeschürften Ellbogen. »Für dich ist es in Ordnung.« »Was meinst du damit?« »Spielt keine Rolle. Fach das Feuer an. Das ist nicht meine Jahreszeit. Kalter Regen, die Blätter sterben, die Nacht ist so lang wie ein Tag. O nein.« Michael machte sich daran, das Feuer wieder zum Brennen zu bringen und fragte sich, wovon sie redete. Sie
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