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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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und dem Monster in Audie-Murphy-Manier beide Läufe verpassen, so wie Mullan es bei dem Werwolf im Hinterhof getan hatte. Allerdings war der Werwolf ja ungeschoren davongekommen. Zauber oder kein Zauber, zwei Gewehrkugeln aus nächster Nähe würden jedem den Rest geben. Er löste seine Hand aus Cats, zielte und feuerte. Der Rückstoß schleuderte ihn gegen sie, und sie fielen zu Boden. Er war taub, blind und verschrammt. Hab' dich erwischt, du schleichender, haariger Bastard, dachte er euphorisch, aber aus seinem Mund kam nur ein ersticktes Wimmern. Für eine Sekunde hatte er im Mündungsblitz einen massigen Rumpf gesehen, menschlich oder nicht menschlich, und darüber ein brutales Gesicht. Dann wurde es stockfinster. Er lag da und reagierte nicht auf Cats Schreie, auf ihre suchenden Hände. Irgend etwas entfernte sich mit dem Geräusch berstender Äste durch die Bäume, aber sonst war nichts zu hören — abgesehen von einer Art dumpfen Murmeln, einem übellaunigen Grollen. »Was hast du gemacht? Was hast du gemacht?« Cat packte ihn an seiner schmerzenden Schulter. »Aua, laß los! Es war ein Monster. Ich habe darauf geschossen.« »Ein Monster? Was für ein Monster? Hast du es gesehen?« Ein Riese, sagte ihm seine Erinnerung. Ein Troll. Aber er schüttelte den Kopf, unsichtbar für sie. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe getroffen. Es ist weggerannt.« Die heftige Ohrfeige ließ wieder Sterne vor seinen Augen funkeln. Für einen Augenblick war er zu schockiert, um zu reagieren, dann fuhren seine Hände dorthin, wo er ihre Kehle vermutete, griffen aber nur in die Luft. »Wofür war das?« Tränen der Wut traten ihm in die Augen. »Du bist hier nicht zu Hause, Michael. Du kannst nicht mit deinem famosen Gewehr einfach irgendwen über den Haufen schießen. Hier herrschen andere Gesetze. Sei jetzt mal still!« Das war er dann, immer noch vor Wut kochend. Der Wald war still — tödlich still, die Stille einer entweihten Kirche.

    »Das heißt noch lange nicht, daß du mich schlagen mußt. Außerdem bist du ein Mädchen, verdammt noch mal.« »Oh, halt den Mund, du dummer Junge.« Wieder dieses Wort. Er knirschte mit den Zähnen. Das würde er ihr heimzahlen. »Wir müssen machen, daß wir hier wegkommen, und zwar schnell. Wir müssen fort von hier. Bald werden sie hier herumwimmeln wie die Bienen.« »Wer?« Aber sie ignorierte ihn. Er wurde auf die Beine gezogen und mitgeschleppt wie ein trotziges Kind, und genau so fühlte er sich auch, schmollend über eine ungerechte Züchtigung. Dornranken streiften sein Gesicht, und die niedrigen Äste schienen Löcher in seinen Schädel bohren zu wollen. »Wie kannst du nur etwas sehen?« Wieder ignorierte sie ihn. Schweigend marschierten sie durch den mitternächtlichen Wald. Als sie schließlich anhielten, taumelte er vor Erschöpfung. Es war ihm mittlerweile egal, wo sie waren oder wohin sie wollten. Das Gewehr war ein schmerzendes Gewicht an seinem Arm. Cat packte seine freie Hand und legte sie auf die rauhe Rinde eines Baumes. »Raufklettern.« »Du machst Witze.« »Kletter, wenn du den Morgen noch erleben willst.« »Ich kann es nicht mit dem hier.« Er schwenkte das Gewehr in der Dunkelheit. »Verdammt! Dann gib es mir.« Er hätte wetten können, daß sie sich schüttelte, als sie die Waffe entgegennahm. »Ich sehe die Hand nicht vor Augen ...« Geräusche irgendwo im Wald, entferntes Grollen. Ein langes, helles Heulen. »Kletter!« Er tat, wie ihm geheißen wurde. Die rauhe Rinde scheuerte seine Hände auf. Er klammerte sich fest und zog sich mit zitternden Gliedern hoch, bis er einen dicken Ast erreichte und sich keuchend daran festhielt. Da waren noch mehr Äste. Er kletterte weiter, ertastete sich einen Weg, schob seine Hand den Stamm hoch, bis er etwas spürte, woran er sich hochziehen konnte. Einmal huschte etwas Kleines, Krallenbewehrtes über seine Hand, und er wäre fast gestürzt. Er fluchte laut und erbärmlich. Er war zu müde. Er hatte kaum noch Kraft in den Armen und fand keinen Halt für seinen rechten Fuß. Eine Hand am Fußgelenk wies ihm den Weg. »Stell dich hier drauf.« Und sein Fuß hatte wieder einen festen Stand. »Das genügt«, sagte sie nach einer Weile. »Mach es dir in den Ästen bequem.« Vorsichtig lehnte er sich zurück, fürchtete den Sturz aus unbekannter Höhe. Der Ast war zehn Zentimeter dick, und dicht neben ihm wuchsen noch mehr. Er konnte sich zurücklehnen und ausruhen. Er hörte Cat neben sich rascheln, und dann

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