Der magische Wald
»Du mußt mich einladen, Michael.« »Was?«
»Dies ist ein altes Haus, und der Glaube in ihm ist stark. Ich kann nicht hineinkommen, wenn du mich nicht dazu einlädst. Bitte mich hinein! Schnell!«
Ich bin ein gefallenes Mädchen. Ich habe eine Todsünde begangen, Michael. Warum gingen ihm diese Dinge durch den Kopf? »Dann ... dann komm herein. Ich lade dich ein.« In Sekundenschnelle war sie im Zimmer und schlug das Fenster hinter sich zu. Sofort flaute der Sturm ab und wurde zu einem entfernten Rauschen über dem Dach. Michael kroch auf dem Bett zurück, bis er das Kopfteil an seinem Rücken spürte. Ihre Augen leuchteten immer noch grünlich. Sie sah aus wie ein geschmeidiges Raubtier, die schwarze Mähne fiel ihr ins Gesicht. Ein durchdringender Moschusgeruch ging von ihr aus, der die Sinne benebelte wie ein schwerer Wein. Eine entfernte Stimme in Michaels Kopf fragte ihn ruhig, was für ein Wesen er in das Haus seiner Großeltern eingeladen hatte. Auf allen vieren kroch sie mit funkelnden Augen über das Bett, hinter sich das Mondlicht. Als sie sich vom Fenster entfernte, erlosch das Licht in ihren Augen. Sie grinste ihn an, und ihre strahlend weißen Zähne blitzten hell in der Dunkelheit. Ihr Haar strich über sein Gesicht, als sie sich auf ihn setzte, sich über ihn beugte und ihr Gesicht an seinen Hals schmiegte, ihn dort leckte und dann so hart auf den Mund küßte, daß er den Druck ihrer Zähne spürte. Ihr Geruch umhüllte ihn, nahm ihm die Sinne. »Ich habe dir gesagt, daß ich zurückkommen würde.« Ihre Stimme war sanft wie ein Schnurren. »Wer ist da draußen? Wer ist hinter dir her? Die Wölfe?« »Ja. Sie treiben sich an den Grenzen deiner Welt herum. Sie haben mich vom Rand des Waldes an verfolgt. Aber das ist jetzt egal. Hier bin ich sicher. Sie können das Haus nicht betreten. Ich muß bis zum Morgen hierbleiben, Michael.« Sie knöpfte seine Pyjamajacke auf und küßte seine Brust, bewegte sich so auf ihm, daß diese herrliche Erregung über ihn kam, wie eine Ladung statischer Energie. Er hörte, wie die Wölfe draußen im Hof heulten ... oder war es nur das Heulen des Sturms? Er lauschte angespannt, aber Cat beruhigte ihn mit leisen Worten. Mit einer raschen Bewegung streifte sie ihren Umhang über den Kopf, und er sah ihre dunklen Brustwarzen auf der hellen Haut, den verschwommenen Fleck des Nabels zwischen ihren glatten Bauchmuskeln. Sie war dünn, die Hüftknochen standen deutlich hervor, und ihre Rippen waren sichtbar. Er fuhr mit der Hand darüber, spürte die Knochen.
»Bist du in Ordnung, Cat?« Sie schwieg für einen Moment lächelnd ein richtiges Lächeln, ohne den raubtierhaften Zug ihres üblichen Grinsens. Ein Zeigefinger berührte seine Nasenspitze. »Seltsame Zeiten, Michael. Für jeden. Auf der »Anderen Seite‹ ist alles in Bewegung, liegt alles mögliche in der Luft.« »Wirst du mich noch einmal mitnehmen dorthin? Ich möchte es wiedersehen. Ich möchte dorthin zurück.« Sie wirkte plötzlich erschöpft. Die Spannung erstarb. Ihre Haut fühlte sich unter seiner Hand kalt an. »Laß mich schlafen. Laß mich heute nacht bei dir liegen.« Er dachte daran, daß seine Großmutter ihn am Morgen wecken würde. Morgen war ein Schultag. Wieder umfing ihn dieses Gefühl, ein Gefangener zu sein. Er zog sie an sich heran und zog die Bettdecke über sie. Sie preßte sich an ihn, schob ihren Kopf dicht an seine Schulter. »Wenn es dämmert, werde ich verschwunden sein«, sagte sie leise. Wieder fort. »Für wie lange? Wann wirst du wiederkommen, Cat?« Sie murmelte etwas, schon fast im Schlaf. Draußen im Hof wurde die Stalltür zugeschlagen. Mullan auf dem Weg zurück ins Haus. Der Wind heulte gespenstisch um die Gebäude und rüttelte an seinem Fenster. »Cat, ich komme mit dir. Ich werde auch fortgehen. Ich möchte nicht mehr hierbleiben. Cat?« Sie schlief. Er küßte ihr auf den Kopf. Ihr Gesicht war so eng an ihn gepreßt, daß er ihr Lächeln nicht sehen konnte. Es war in der dunklen Stunde vor der Morgendämmerung. Der Wind fegte immer noch über die Farm, als Michael sich im Kerzenlicht ankleidete. Cat saß nackt auf dem Bett, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, und beobachtete ihn. Sorgfältig wählte er seine Kleidung aus: warme Sachen für das Leben im Freien, dicke Socken und robuste Stiefel. Er dachte an seine Großeltern, an Mullan, Sean und sogar an seine Tante Rachel. »Ich werde zurück sein, bevor sie überhaupt merken, daß ich verschwunden bin,
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