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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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mit seinem langzähnigen Grinsen. Mirkady hatte Cat ›Catherine‹ genannt. Stundenlang wanderten sie Hand in Hand. Michael zog die Stute am Zügel hinter sich her. Sie schien von der phantastischen Gesellschaft unbeeindruckt zu sein und scheute nicht einmal, wenn sich die ungestümsten Gesellen des Waldvolkes dicht über ihrem Kopf durch die Äste schwangen. Es war, als würden sie gar nicht existieren. Cat hingegen drückte Michaels Hand, bis sie schmerzte. Er hätte geschworen, daß sie Angst hatte, hätte er jemals erlebt, daß sie sich vor etwas fürchtete — und das, obwohl sie diese Wesen als ihre Freunde bezeichnet hatte. »Laßt das Pferd hier«, befahl Mirkady. »Was?« Sie waren stehengeblieben. Michael konnte vor lauter Staunen kaum klar denken, sein Verstand war stumpf wie ein abgenutztes Messer. »Laßt das Pferd hier. Es kann nicht mit in die Höhle, es ist ein Geschöpf der Sonne. Jetzt kommt, Sir, seid ihr denn so unwissend?« »Dumm wie junges Holz«, sagte jemand. »Wirklich. Ein Trottel«, sagte eine andere Stimme. »Ich lasse es nicht hier am Ende der Welt einfach stehen«, sagte Michael. Er wurde langsam wütend. Es hing ihm zum Hals heraus, zum Dummkopf gemacht zu werden. Cat nahm ihn am Arm. »Es wird ihr nichts geschehen, Michael. Niemand kann ihr in der Umgebung der Höhle etwas anhaben.« »Außer Kreuz-Zauber, Latein und Weihwasser«, quietschte eine Stimme. »Ruhe!« brüllte Mirkady. Das unheimliche Leuchten der Glühwürmchen war überall um sie herum, und ein Geruch von frischer Erde lag in der Luft, wie der eines frisch geschaufelten Grabes. Doch da war noch ein anderer, süßlicher Geruch, ein Hauch von Verwesung, der Michael die Nase rümpfen ließ. »Ich sehe keine Höhle.« Gelächter in den Bäumen. »Das kann schon sein!« »Öffnet doch die Eingangstür für ihn!« Mirkady verbeugte sich wieder tief, und die Glühwürmchen schwärmten um seine Schläfen wie ein brennendes Stirnband. »Entschuldigt. Unser Benehmen ist nicht so, wie es sein sollte. Laß mich dich als erster in Gallows Höhle willkommen heißen, Michael ...?« Er ließ es wie eine Frage klingen. »Fay«, sagte Michael. Im gleichen Moment raubte ihm ein Rippenstoß von Cat den Atem. »Fay.« Mirkady sah merkwürdig nachdenklich aus. »Nun, das ist ein Name, der Wunder bewirken kann. Ich frage mich, ob er zu dir paßt?« Seine schaurigen Augen studierten Michael mit einer Art Ernsthaftigkeit. »Du weißt jetzt, wie er heißt, Mirkady«, knurrte Cat. »Er hat dir seinen Namen in blindem Vertrauen gesagt. Wenn du dieses Vertrauen mißbrauchst, drehe ich dir den Hals um.« Mirkady hielt seine lange Hand hoch. »Keine Angst, Cat. Vielleicht weiß ich mehr über dieses ganze Drama als du.« Er zeigte ein warmes Lächeln, das beinahe menschlich wirkte. »Öffnet das Tor.« Augenblicklich wurde es still, und Michael erkannte durch den Schimmer der Glühwürmchen, daß sie sich am Fuße eines Hügels befanden. Er war dunkel und fast unbewachsen, frei von dem Laub, das ringsum den Waldboden bedeckte. Auf dem Gipfel stand ein mächtiger alter Baum, dessen Stamm dick und rund wie ein Heuschober war. Die Äste ragten über den Hügel, und dunkle Bündel hingen an ihnen herunter, kleine und große -und von diesen ging der süße Fäulnisgeruch aus. Leichen. Einige waren von Menschen, zum Teil klein genug, um von Kindern zu sein; aber es gab auch Hunde und Katzen, Schafe, sogar ein Pferd. Alles Kadaver, die von den dicken Ästen des Baumes hingen. Lange Moosstreifen und Efeuranken hingen daneben wie zerrissene Leichenhemden, und an manchen Stellen erkannte Michael im Gras kleine Erhebungen, Überreste anderer Opfer, die wie überreife Früchte aus den Zweigen gefallen waren. Aber dann veränderte sich etwas. Ein Licht erschien aus dem Inneren des Hügels wie ein verirrter Sonnenstrahl. Musikfetzen ertönten, fein wie das Klingeln von Silberglöckchen. Das Licht wurde stärker, tauchte Michael und die anderen in hellen Glanz und warf lange Schatten in die Bäume hinter ihnen. Eine lichtüberflutete Tür erschien in dem Hügel, und die ganze Zeit erklang diese verrückte, schöne Musik, anziehend und beschwörend. Michael ging hinein in das Licht, hatte nichts anderes mehr im Kopf als diese Musik, bemerkte nur noch, daß dort eine große Menge durcheinander wimmelte, sich an ihn drängte und ihn willkommen hieß. Er erinnerte sich an hohe, kreideweiße Mauern, die im Sonnenlicht emporragten. Es gab Zinnen und flatternde Fahnen

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