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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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vergangenen Monaten den Schlaf ersetzt hatte. Plötzlich wurde er durch Cat geweckt, die ihn sanft schüttelte. Sofort fuhr er hoch und tastete blinzelnd nach seinem Schwert. Schweigende Gestalten bewegten sich im Licht der niedergebrannten Feuer über das Lager auf den Waldrand zu. Die Krieger. »Was ist los?« fragte er Cat flüsternd. Dann sah er es. Lichter. Flackernde blaue Lichter in den Bäumen. Sie tanzten und hüpften wie Kerzenflammen, brannten aber stetig mit eisblauem Schein. »Signallichter«, murmelte Cat. Sie hatte sie natürlich früher schon einmal gesehen, aber noch nie in einer solchen Anzahl.

    Michaels Großmutter hätte sie als Irrlichter bezeichnet und ihm erzählt, daß sie Reisende in den Tod lockten. Hier im Wildwald waren es die Spielzeuge des Waldvolkes, harmlos, wenn man sie ignorierte. Aber jetzt leuchteten Hunderte von ihnen, und als Michael aufstand, sah er, daß sie das Lager umringten wie die Wachfeuer einer Belagerungsarmee. Er suchte Ringbone, während sich Cat Bogen und Köcher über die Schulter streifte und getrockneten Hahnenfuß auf den Pfeilspitzen zerdrückte. Es war keine sehr wirkungsvolle Pflanze, aber die beste, diesie hatten. DieeffektivsteWaffe im Lager war Michaels Eisenschwert. Eulen riefen in den Bäumen, und einmal hörte Michael das Heulen eines Wolfes in weiter Entfernung, sonst aber blieb es still. Die Fuchsleute zündeten große Feuer an, bis der Lagerplatz taghell erleuchtet war. Die Frauen versammelten sich um die Kinder, während die Männer im Umkreis des Lagers patrouillierten. Eine Stunde verging, ohne daß etwas passierte. Michael begann zu schwanken, die Augen fielen ihm zu. Cat jedoch blieb wachsam. Die Fuchsleute stützten sich auf ihre Speere und unterhielten sich leise oder setzten sich mit dem Rücken an Baumstämme. Die Feuer brannten langsam nieder. Sie hatten kein Holz mehr, und Ringbone ließ nicht zu, daß jemand das Lager verließ, um welches zu sammeln. Ein paar Frauen hatten grüne Zweige auf die Feuer gelegt, doch das hatte nur zur Folge, daß dichter Qualm aufstieg. Die meisten der Kinder waren eingeschlafen, lagen eingehüllt in Felle und Pelze eng beieinander. Die Spannung hatte nachgelassen. Jemand schrie, ein heller Schmerzensschrei, der plötzlich abbrach. Sofort sammelten sich die Krieger an der Stelle, an der der Schrei ausgestoßen worden war und suchten nach seiner Quelle. Sie fanden einen Speer auf dem Boden und daneben eine Blutlache. Etwas weiter entfernt lagen drei Finger madenweiß im Laub. »Jesus«, sagte Michael. Die flackernden Signalfeuer erloschen. In dem Augenblick, den er brauchte, um seine Augen der plötzlichen Finsternis anzupassen, spürte er den rasenden Schlag seines Herzens. Dann brach der Wahnsinn los. Eine Flut von gedrungenen, dunklen Umrissen schien sich rings um das Lager aus dem Boden zu erheben und stürmte auf sie zu. Die Gestalten waren pechschwarz, breit wie Baumstämme und bewegten sich auf dünnen Beinen und überlangen Armen affenartig vorwärts. Sie trugen Waffen und Schmuck aus Knochen und gaben keinen Laut von sich.

    Einer der Krieger wurde von der Horde gepackt und sofort umringt. Sie schwärmten um ihn herum wie schwarze Heuschrecken. Er ging sofort zu Boden, nur noch sein Arm mit der Keule ragte aus dem Getümmel. Die Horde näherte sich dem schwachen Licht der Feuer mit erschreckender Geschwindigkeit, wo sich Ringbones Krieger ihnen entgegenstellten: Während die Frauen sich und die Kinder auf den Bäumen in Sicherheit brachten, bildeten die Männer einen schnell schrumpfenden Kreis und kämpften um ihr Leben. Für Michael war es ein unwirklicher Alptraum aus schattenhaften Umrissen und klauenbewehrten Gliedern. Die herandrängenden Kobolde reichten ihm bis zur Hüfte und hatten so schwarze Haut, daß er sie trotz des schwachen Feuerscheins nicht genau erkennen konnte. Er spürte das Kratzen von Krallen, schmerzhafte Bisse und trat schwere, kompakte Körper zur Seite, die ein glattes Fell hatten, wie Kaninchen. Er sah schwarze, pupillenlose Augen glänzen und ließ unablässig sein Schwert niedersausen, wieder und wieder. Knochen barsten, Fleisch zerfetzte, seine Hosen wurden von Blut durchtränkt. Nur wenn sie verwundet wurden, gaben die Bestien Geräusche von sich, ein dünnes, hohes Quietschen, wie ein Hase in der Falle. Nachdem er drei schnell hintereinander getötet hatte, begannen sie das tödliche Eisen seines Schwertes zu meiden — ein kleiner Kratzer bedeutete den Tod für sie

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