Der magische Zirkel - Der Abgrund: Band 4 (German Edition)
durch das Fenster fiel, ließ sein Haar erstrahlen, das rot, braun und golden schimmerte.
» Wenn du Zeit für dich brauchst, ist das völlig in Ordnung«, fuhr er fort. » Aber ich werde da sein, wenn du so weit bist. Nur eine Bitte habe ich.«
Er hielt inne, um sicherzugehen, dass Cassie ihm aufmerksam zuhörte.
» Was ist das für eine Bitte?«, fragte sie, ohne ihn anzusehen.
» Tu nichts Unüberlegtes, ohne vorher mit dem Zirkel zu sprechen.«
Keine besonders faire Bitte, fand Cassie und knirschte mit den Zähnen.
» Versprich es mir«, verlangte er.
Dann machte sie den Fehler, Adam in die Augen zu schauen. Und sie sah seine Qual und seine Liebe. Er war kein Feigling. Er hatte ein gutes, mutiges Herz und er wollte immer nur das Beste für alle.
» Bitte«, murmelte er. » Sei nicht leichtsinnig.«
Cassies Wut auf ihn war keineswegs verflogen, aber sie spürte auch, dass sie ihn von ganzem Herzen liebte. Und sie konnte nicht anders, als ihn zu beruhigen. » Ich verspreche es«, sagte sie.
Aber sie wusste, es war ein Versprechen, das sie wahrscheinlich nicht würde halten können.
Kapitel Dreiundzwanzig
Endlose Dunkelheit. Das war alles, was Cassie sehen konnte. Eine endlose, rötliche Dunkelheit wie hinter geschlossenen Augenlidern. Sie erahnte das baufällige Haus in der Ferne und rief: Scarlett!
Cassie bahnte sich blind ihren Weg durch die pechschwarze Nacht und brüllte immer wieder halb wahnsinnig vor Sorge Scarletts Namen. Es war, als reise sie durch den Weltraum, durch ein sternenloses Universum – bis sie tatsächlich auf das Haus stieß. Durch die klapprige Tür entdeckte sie Scarlett. Sie war an Händen und Füßen an einen zersplitterten Holzpfahl gefesselt und schrie.
Sie peitschten sie aus. Wer auch immer sie waren. Cassie versuchte, die Gesichter der Jäger zu erkennen, aber es gelang ihr nicht. Sie hatten kein Gesicht, sie waren formlose, schwarze Geisterwesen. Aber Cassie konnte ihre dunklen, zitternden Seelen spüren. Und ihre Angst. Es war die Angst, die sie antrieb, die Angst vor dem Unbekannten, dem Übernatürlichen, die sie brutal werden ließ. Die Angst vor Hexerei. Wie Gotteskrieger, deren Glaube an die eigene Gerechtigkeit ebenso unerschütterlich war wie ihre extreme Gewaltbereitschaft. Unbarmherzig peitschten sie Scarlett aus. Ihre Schreie ließen sie völlig kalt.
Cassie fragte sich, warum die Jäger ihr nicht den Mund zuklebten. Weil sie Scarlett zum Reden bringen wollten, das war die einzige einleuchtende Erklärung. Sie wollten, dass sie Informationen preisgab – nicht nur das Geheimnis ihrer Magie, begriff Cassie, sondern das Geheimnis des Zirkels, wer sie waren und wo sie zu finden waren. Scarlett weinte und kreischte und spuckte die geisterhaften Jäger an, aber kein Wort kam über ihre geschwollenen Lippen. Ertrug sie all diesen Schmerz, um den Zirkel zu beschützen? Um Cassie zu beschützen?
Ihr geschundener Körper hing so schlaff an dem Holzpfahl wie eine welkende Blume. Ihr Gesicht war blutig, ein Auge vollkommen zugeschwollen, und das feuchte, rote Haar hing ihr über die knochigen Schultern. Sie hatte fast nichts mehr an und ihr Körper war von blutigen Striemen gezeichnet. Wie lange konnte sie diese Folter noch ertragen?
Cassie stand wie gelähmt an der Tür. Sie war sich nicht sicher, ob Scarlett sie ebenfalls sehen konnte, und rief nach ihr.
Scarlett, ich weiß, wo du bist. Und ich werde bald da sein. Ich verspreche es.
Schweißgebadet schreckte Cassie hoch.
Meine Schwester, dachte sie, meine arme, liebe Schwester. Sie wünschte, Scarlett würde den Jägern sagen, was sie wissen wollten, die ganze Wahrheit über den Zirkel, wenn das bedeutete, dass sie sie am Leben ließen, dass sie sie freiließen. Alles war besser, als tatenlos dabei zuzusehen, wie sie starb, um den Zirkel zu schützen. Scarlett war nach New Salem gekommen, um den Schutz des Zirkels zu erbitten, nicht andersherum. Wie hatte es nur so weit kommen können?
Aber Scarlett lebte noch, da war Cassie sicher. Also war es noch nicht zu spät, um sie zu retten. Vielleicht würden die Mitglieder des Zirkels Scarletts Rettung endlich ernsthaft in Erwägung ziehen, wenn sie wüssten, dass Scarlett sie trotz ihrer Folter nicht verriet. Vielleicht würden sie Scarlett endlich als eine der Ihren akzeptieren.
Plötzlich durchschnitt ein lautes Geräusch die Stille. Erst nach ein paar Sekunden realisierte Cassie, dass ihr Handy klingelte. Aber wer rief sie so spät in der Nacht noch an?
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