Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci
einschüchtern zu lassen. »Ich habe gehandelt, wie jeder andere an meiner Stelle gehandelt hätte. Ein erfolgreicher Kaufmann wie Sie wird das doch zweifellos verstehen können.«
»Hm, seit wann geht es Künstlern so sehr ums Geld?«
»Seit sie entdeckt haben, dass Essen und Kleidung und ein Dach über dem Kopf nicht gratis vom Himmel fallen«, erwiderte Leonardo gelassen.
»Die Kleidung scheint für Sie allerdings nicht das Problem zu sein«, entgegnete Casati mit vielsagendem Blick auf Leonardos rosenroten Rock.
Ambrogio warf geschwind ein: »Was Meister da Vinci meint, ist…«
»Ich weiß , was der Meister meint«, unterbrach ihn Casati ungeduldig. »Und er hat natürlich recht. Diese verdammten Corios!« Er blickte jetzt noch säuerlicher drein.
»Die Corios?«, fragte Ambrogio nach, als Casati offenbar keine weitere Erklärung anzufügen gedachte.
»Sie kümmern sich um die finanziellen Angelegenheiten der Bruderschaft. Geizkragen!« Casati schüttelte den Kopf. »Sparsamkeit ist beim Geschäftemachen durchaus ratsam, aber wie mein Freund, der Papst, immer sagt: Knausrigkeit hat mit Sparsamkeit nichts zu tun.«
»Und der Papst muss es ja wissen«, bemerkte Leonardo.
Casati sah ihn einen Moment misstrauisch an, bevor er fortfuhr: »Qualität hat ihren Preis, das ist mein Standpunkt. Liefern Sie Qualität, Meister da Vinci?«
»Die beste, die von einem florentinischen Künstler erwartet werden darf«, antwortete Leonardo, ohne mit der Wimper zu zucken. Er war inzwischen überzeugt, dass Casati seinen Reichtum allem anderen als Weisheit und Wissen zu verdanken hatte und man vor ihm nicht den Kopf einzuziehen brauchte.
Casati nickte, als nehme er seine Worte ernst. » Il Moro scheint genauso darüber zu denken, freilich ist er nicht immer die beste Referenz.«
»Falls meine Meinung etwas zur Sache tut…«, versuchte Ambrogio sich einzubringen.
Casati winkte ab. Er sah Leonardo unfreundlich an. »Wem haben Sie das Bild verkauft?«
»Die Diskretion gebietet mir, die Antwort darauf schuldig zu bleiben, Herr Casati.«
Casati rümpfte die Nase. »Ein Liebhaber, der anonym zu bleiben wünscht? Davon gibt es einige, seit Il Moro an der Macht ist. Versteck deinen Wohlstand innerhalb deiner vier Wände, lautet die Botschaft. Nur der Pöbel kann ungestört und ungestraft tun und lassen, was er will. Wie mein Freund, der Papst, schon sagte: Vielleicht wäre es besser für Mailand, wenn die Franzosen dort einfielen, wie sie es schon mehrfach versprochen haben.« Casati verfiel in mürrisches Schweigen, als habe er seine Besucher vergessen.
Ambrogio machte einen behutsamen Vorstoß: »Da Sie uns hergebeten haben, nehme ich an, dass die Angelegenheit hiermit nicht erledigt ist?«
Casati schaute verstört auf. »Was sagten Sie? Ach so…« Er klemmte seinen Stock zwischen die Knie, legte beide Hände darauf und ließ das Kinn auf ihnen ruhen, als sei ihm der Kopf zu schwer geworden. »Die Kapelle der Bruderschaft will dieses Altarbild unbedingt, wir möchten unsere Bestellung also gerne erneuern. Das geschieht auf meine persönliche Initiative, wie ich hinzufügen möchte.« Er sah Leonardo mit einem Blick an, als erwarte er dafür seine Dankbarkeit. »Und diesmal werde ich auch persönlich dafür Sorge tragen, dass die Bezahlung ordentlich und korrekt erfolgt.«
Leonardo fragte: »Und der Liefertermin?«
»Sechs Monate ab heute.«
»Das ist ziemlich kurzfristig.«
»Wir haben durch diese Spielchen ums Geld schon genug Zeit verloren. Ich werde dafür sorgen, dass unser Notar einen neuen Vertrag aufsetzt.«
»Ich habe noch nichts über den Preis gehört.«
»Geld, immer nur Geld!«, empörte sich Casati.
Leonardo erwiderte: »Ich kann verstehen, dass Geld keine große Priorität hat, wenn man genug davon besitzt.« Da wäre dein Freund, der Papst, sicher mit mir eins, dachte er sarkastisch.
»Für den gesamten Auftrag tausend Lire vorab, und dann hundert Lire im Monat bis zur Ablieferung der fertigen Arbeit. In sechs Monaten.« Als Leonardo nicht sofort reagierte, verengten sich Casatis Augen. »Falls Ihnen das immer noch nicht großzügig genug ist, suchen wir uns doch noch einen anderen florentinischen Maler.«
»Das Almosen, das mir bereits gezahlt wurde, wünsche ich als Schadensersatz zu behalten.«
»Schadensersatz für was?«
»Als moralischen Schadensersatz, weil ich die Haltung der Bruderschaft in dieser Sache als persönliche Beleidigung empfunden habe.«
Leonardo konnte buchstäblich
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