Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci
»Ich möchte einen Teil des Schlosses ganz nach meinem Geschmack neu herrichten lassen.«
Geister vertreiben, dachte Leonardo unwillkürlich. Alle Spuren auswischen, die Beatrice hinterlassen hat, bis ihn nichts mehr an sie erinnern kann – abgesehen vielleicht von dem Sohn, den sie ihm geschenkt hat. Auch die neue Geliebte, die der Herzog schon seit einiger Zeit hatte, eine gewisse Lucrezia Crivelli, würde wohl ihren Teil dazu beitragen.
»Ich möchte, dass du persönlich die Ausschmückung übernimmst«, sagte Sforza. »Du, mit deinen besten Mitarbeitern.«
Leonardo nickte. »Es wird mir eine Ehre sein, Exzellenz.«
»Du meinst, du kannst das Geld gut gebrauchen«, sagte Sforza mürrisch. »Personalkosten summieren sich, nicht wahr?«
»Wenn alle meine Auftraggeber ihre Schuld beizeiten begleichen würden, käme ich schon zurecht«, erwiderte Leonardo. Den sarkastischen Unterton konnte er sich gerade noch verkneifen. Trotzdem wappnete er sich für eine der mittlerweile berüchtigten wütenden Reaktionen des Herzogs. Doch sie blieb aus. Sforza war offenbar nicht ganz bei sich.
»Wie viele Künstler würden sich glücklich schätzen, wenn sie so großzügig für ihre Arbeit entlohnt würden wie du«, sagte er lediglich.
Leonardo wechselte sicherheitshalber das Thema. »Habt Ihr schon genauere Vorstellungen, welche Art der Ausschmückung Ihr von mir wünscht, Exzellenz?«
»Das wird dir zu gegebener Zeit in allen Einzelheiten mitgeteilt werden, im Moment habe ich anderes im Kopf. Ich möchte vorerst nur, dass du dir die erforderliche Zeit freihältst.«
»Und wie viel Zeit…«
»So viel wie nötig!«, herrschte ihn Il Moro an, der nun doch die Geduld zu verlieren schien. »Erwartest du etwa, dass ich dir das vorrechne?«
»Verzeiht, Exzellenz. Ich hatte für einen Moment vergessen…«
Der Herzog ließ sich auf eine Sitzbank sinken und griff zu einem Glöckchen, um einem Lakaien zu läuten.
»Begleite Meister da Vinci hinaus«, befahl er dem sofort herbeigesprungenen Bediensteten. Dann versenkte er sich in düstere Gedanken, ohne Leonardo noch eines Blickes zu würdigen.
Als Leonardo zu den Stallungen ging, wartete dort Isabella d’Este auf ihn.
»Ich wollte Sie kurz sprechen.« Sie funkelte den Stallknecht, der auf sie zukam, unfreundlich an. Der Mann zögerte kurz und schlug dann eine andere Richtung ein. »Ich habe mir vorhin noch einmal das Porträt angesehen, das Sie von meiner Schwester gemalt haben. Und auch das Bild von Cecilia Gallerani konnte ich schon bewundern.«
»Euer Interesse an meinem Werk ehrt mich.«
Sie winkte ungeduldig ab. »Ich möchte, dass Sie auch mich porträtieren.«
»Das kommt im Moment sehr ungelegen, denn der Herzog hat mich gerade ersucht, die nächsten Monate für Arbeiten in seinem Auftrag freizuhalten.«
»Hm…« Die Marchesa schürzte die Lippen wie ein schmollendes Kind. »Und mein Schwager ist natürlich eine größere Autorität als ich.«
Verwöhnt, dachte Leonardo. Sie erwartet, dass sie immer ihren Willen bekommt, und das nicht auf die spielerische Art, wie Beatrice sie meistens anwandte. Es wäre interessant, diese Haltung in ihrem Porträt zum Ausdruck zu bringen.
»So ein Gemälde reizt mich natürlich sehr, Gräfin, aber…« Leonardo zuckte ein wenig mutlos die Achseln. »Ich bitte Euch, versucht meine Position zu verstehen.«
Isabella nickte, nun mit verkniffenem Mund. »Dann wird mein Porträt also warten müssen?«
»Ich fürchte, es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Nun gut, dann kommen Sie nach Mantua, sobald es Ihnen möglich ist.« Ihre Worte klangen nicht wie eine Bitte, sondern wie ein Befehl.
»Das ist aber ein gutes Stück von hier entfernt, Gräfin.«
»Seien Sie unbesorgt, Sie werden angemessen dafür entlohnt werden.«
»Mich sorgt eher die Reise an sich.«
Isabella d’Este schnaubte. »Sind Sie denn schon so alt, dass Sie sich das nicht mehr zutrauen?«
Leonardo biss sich kurz auf die Unterlippe. »Wenn es Euch recht ist, werde ich Euch beizeiten wissen lassen, wann ich wieder zur Verfügung stehe«, sagte er in distanziertem Ton. »Dann können wir vielleicht etwas vereinbaren.«
Sie nickte. »Damit werde ich mich wohl vorläufig zufriedengeben müssen.«
»Ab in die Corte Vecchia!«, blaffte Leonardo Salaì an, als er nach Hause kam. »In der Werkstatt ist noch jede Menge zu tun, du hast lange genug auf der faulen Haut gelegen.«
Salaì sah ihn beunruhigt an. »Ist irgendetwas?«
»Ich habe zu tun.
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