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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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Verschwinde!«
    »Zoroastro ist hier.«
    Leonardo seufzte. »Ich kümmere mich schon um ihn. Sieh du zu, dass du wegkommst.«
    Nachdem Salaì mit beleidigtem Gesicht abgezogen war, ging Leonardo in den Garten, wo Zoroastro sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte.
    »Du hast es hier gut getroffen«, sagte Zoroastro, als er Leonardo kommen sah. »So ein Refugium würde mir auch gefallen.«
    »Ich muss dich leider bitten zu gehen, Zoro. Ich habe Dringendes zu erledigen.«
    »Ich auch, deswegen bin ich hier.«
    Leonardo sah ihn ungeduldig an. »Kannst du dich bitte kurzfassen?«
    »Ich habe keine Lust mehr, für dich zu arbeiten.«
    »Gut, das wäre dann geklärt.«
    Zoroastro war sichtlich verblüfft und auch gekränkt. »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
    »Hast du vielleicht erwartet, dass ich dir flennend um den Hals fallen würde?«
    »Leonardo… was ist los?«
    Leonardo wandte sich ab und ließ den Blick über die Weinstöcke wandern, deren Laub kaum hörbar im Wind raschelte.
    »Weißt du, ich bin es leid, Arbeiten zu machen, für die man kein Meister zu sein braucht«, fuhr Zoroastro erklärend fort. »Ambrogio geht es genauso. Er möchte wieder ernsthaft malen.«
    »Ehrgeiz ermüdet mich.«
    »Jetzt sag mal ehrlich, was ist mit dir?«
    »Die Herzogin ist tot.«
    Zoroastro nickte. »Ich habe das Totengeläut gehört. Da dachte ich mir schon, dass es wohl nicht um der Bäckersfrau willen geschieht.«
    »Es geht dir also nicht nahe«, konstatierte Leonardo.
    Zoroastro zuckte die Achseln. »Diese Leute lassen mich kalt…« Er sah Leonardo von der Seite an. »Was hattest du mit ihr?«
    Leonardo zögerte kurz, bevor er antwortete: »Ach, nichts. Ich werde älter, da wird man dann eher an das eigene Ende erinnert.«
    »Tja, und wenn man nicht ans Jenseits glaubt, ist die eigene Sterblichkeit natürlich schwer zu akzeptieren.«
    Leonardo sah Zoroastro verwundert an. »Seit wann bist du gläubig?«
    »Seit ich mehr davon habe.«
    Leonardo machte ein angewidertes Gesicht. Aber dann räumte er ein: »Ich werde dich vermissen.«
    »Oho!«
    » Il Moro hat nämlich einen Auftrag in Aussicht gestellt, bei dem ich dich gut hätte brauchen können.«
    Zoroastro seufzte. »Wäre es dir auch so gleichgültig, wenn Salaì seine Sachen packte?«
    »Salaì wird nicht so bald gehen.«
    »Bist du dir da so sicher?«
    »Er weiß, was gut für ihn ist.«
    Zoroastro erhob sich. »Ich hatte mir dieses Gespräch anders vorgestellt.«
    »Ich hatte mir so vieles anders vorgestellt.«
    »Leb wohl, Leonardo. Oder vielleicht auf Wiedersehen, wer weiß?«
    »Auf Wiedersehen klingt weniger endgültig, ich halte mir gern eine Möglichkeit offen.«
    Leonardo schaute Zoroastro nur wenige Augenblicke lang nach. Dann wandte er sich ab und ging langsam ins Haus, mit hängendem Kopf, als habe ihn trotz der noch frühen Stunde eine bleierne Müdigkeit übermannt.

22

    Unter Hochdruck arbeitete Leonardo an Entwürfen für Abschreckungs- und Sicherungseinrichtungen, die aus seinem Haus eine uneinnehmbare Festung machen sollten. Krieg bedeutete auch Diebstahl und Plünderung, und Krieg war zu erwarten, nachdem sich die Franzosen unter ihrem neuen König, Ludwig XII ., rüsteten, Ansprüche auf das Herzogtum Mailand geltend zu machen. Leonardo zeichnete Selbstschussanlagen mit Armbrüsten, die losgehen würden, wenn jemand unbefugt sein Grundstück zu betreten versuchte und dabei gegen einen Stolperdraht lief. Fallgruben, unter Laub versteckte Fußangeln, gepanzerte Türen und Fensterverriegelungen, die auch mit grober Gewalt nicht zu öffnen sein würden, und vieles mehr.
    Aber am Ende schob er doch alles mutlos beiseite. Es würde Monate brauchen, derlei zu verwirklichen. Und diese Zeit hatte er nicht. Außerdem würden Plünderer mit ziemlicher Gewissheit alles niederbrennen, wenn einer oder mehrere von ihnen durch seine Verteidigungsanlagen zu Tode kämen. Nein, das war fruchtlos. Vielleicht sollte er besser daran denken, Mailand zu verlassen, bevor es zu spät war. Wenngleich namhafte Künstler unter solchen Umständen meist nichts zu befürchten hatten, schon gar nicht von den Franzosen, die sie gerne für sich arbeiten ließen.
    Für alle Fälle sollte er zusehen, dass seine Kasse gefüllt war, wenn er seine Sachen packen sollte. Er musste also schnellstmöglich die Ausmalung der Sala delle Asse im Castello Sforzesco fertigstellen und vor allem auch endlich mit der Bruderschaft von der Unbefleckten Empfängnis über seine

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