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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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mit persönlichen Dingen zu den anderen Sachen in den Wagen und stieg auf den Bock. Salaì beeilte sich, neben ihm Platz zu nehmen, bevor sich das Pferd in Bewegung setzte.
    Im Schloss erwartete sie die Nachricht, dass die Marchesa für einige Tage verreist sei. Wann sie zurückkehren würde, war nicht genau bekannt.
    »Die Dame will es dir wohl ein bisschen heimzahlen«, meinte Salaì. »Wo du sie so lange hast warten lassen.«
    »Unsinn.« Leonardo übergab die Zügel einem Stallknecht, der gemächlich zu ihnen herübergeschlendert war. Das Arbeitstempo im Schloss wurde offenbar gedrosselt, wenn die Herrschaften nicht da waren. »So wichtig bin ich nicht für sie.«
    »Eine leidenschaftliche Sammlerin, die hinter einem wertvollen Stück für ihre Kollektion her ist? Ich wünsche dir viel Glück mit ihr, das wirst du brauchen können.«
    »Salaì, du hast sie doch noch gar nicht kennengelernt!«
    »Ich höre, was du erzählst, und sehe, was für ein Gesicht du dabei ziehst. Die Frau Gräfin hat Eindruck auf dich gemacht.«
    Leonardo warf die Sachen, die er gerade aus dem Wagen gefischt hatte, mit einer wütenden Bewegung wieder hin. »Irgendwer wird dich schon in unser Zimmer bringen, und falls nicht, kannst du dich so lange im Garten auf eine Bank setzen«, bellte er und marschierte davon.
    Salaì rief ihm nicht nach, wohin er denn gehe. Er wusste, dass er keine Antwort erhalten würde.
    »Du solltest lieber einen höflicheren Ton gegenüber deinem Meister anschlagen«, sagte der Stallknecht. »Wenn wir uns das hier erlauben würden…«
    »Er ist nicht mein Meister!«, blaffte Salaì, und sein scharfer Ton tat ihm auf der Stelle leid. Der Stallknecht konnte schließlich nichts dafür, dass er seit Jahren unter der Angst litt, von Leonardo verlassen zu werden. Zudem machte der Bursche einen ganz sympathischen Eindruck, und hässlich war er auch nicht.
    Schuld an allem ist nur diese feine Frau Gräfin, dachte er missmutig. Frauen schienen ein perverses Vergnügen daran zu haben, Zwietracht unter Männern zu säen.
    »Ich helfe dir beim Ausspannen«, bot er dem Stallknecht an. »Ich habe fürs Erste ohnehin nichts zu tun.«
    »Was vergessen, Meister da Vinci?« Der Wirt, der an der Theke Krüge gespült hatte, trocknete sich die Hände an seiner Schürze ab und sah Leonardo erwartungsvoll an.
    »Ja«, antwortete dieser, »ich habe vergessen, meinen Durst zu löschen.«
    »Bier?«
    Leonardo nickte, nahm einen bis zum Überlaufen gefüllten Humpen vom Wirt entgegen und setzte sich damit an einen leeren Tisch am Fenster. Er zog sein Schaffellwams aus und starrte verdrossen auf den zugigen Marktplatz hinaus, wo an diesem Tag ein Dutzend Stände aufgebaut waren. Viel Kundschaft war freilich nicht zu sehen. Jetzt in der Vorweihnachtszeit hätte man eigentlich erwarten sollen, dass in einem so wohlhabenden Städtchen wie Mantua reichlich für die Feiertage eingekauft würde. Aber vielleicht war es den Leuten einfach zu kalt und ungemütlich für einen Marktbummel.
    »Entschuldigen Sie, mein Herr, ich hörte gerade vom Wirt, dass Sie Meister Leonardo da Vinci sind?«
    Leonardo schaute irritiert zu dem leichenblassen, hageren Mann auf, der an seinen Tisch getreten war. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
    »Mein Name ist Niccolò Machiavelli. Ich komme wie Sie aus Florenz, wo ich Staatssekretär der Zweiten Kanzlei des Rats der Republik bin.«
    Leonardo zog die Augenbrauen hoch. »Womit kann ich dienen?«
    »Ich habe schon so viel von Ihnen gehört, Meister da Vinci, Ihr Name ist selbst im letzten Winkel Italiens ein Begriff, wenn nicht sogar darüber hinaus. Ihr Fresko vom letzten Abendmahl in der Santa Maria delle Grazie…«
    »Das ist kein Fresko, ich habe nicht auf frischen Putz gemalt.«
    »Oh, ich bitte um Nachsicht, in Maltechniken kenne ich mich nicht aus. Ich wollte nur sagen, dass sich bereits Hunderte staunend Ihr Werk angesehen haben.«
    »Haben Sie sie etwa gezählt?«
    Machiavelli seufzte. »Ich merke schon, ich habe einen ungünstigen Moment gewählt. Entschuldigen Sie, dass ich Sie bei Ihren Reflexionen gestört habe.« Er wandte sich zum Gehen.
    Leonardo lenkte mit einer Geste der Hilflosigkeit ein. »Es gibt ein paar Dinge, die mir auf der Seele liegen. Da kommt es dann schon einmal vor, dass ich meine guten Manieren vergesse. Nehmen Sie doch bitte Platz, falls Sie noch mögen.«
    Machiavelli schien kurz zu zögern, legte dann aber doch seinen schwarzen Mantel ab und setzte sich Leonardo gegenüber an den

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