Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci
Qualität der abgelieferten Leistung abhängig sein. Können Sie damit leben?«
»Nein«, antwortete Leonardo kurz und knapp. »Die Qualität meiner Arbeit ist zur Genüge bekannt. Auf dieser Grundlage kann das Honorar vorab festgelegt werden.«
»Hm…« Der Prior schürzte die Lippen und nickte bedächtig. »In diesem Fall kann ich vielleicht eine Ausnahme von meiner Regel machen, aber ich möchte noch darüber nachdenken. Sie werden mir ein paar Tage Zeit einräumen müssen.«
Die Entscheidung des Priors ließ eine Weile auf sich warten, und so sah sich Leonardo genötigt, zunächst von dem Geld zu leben, das er von Mailand aus hierher überwiesen hatte. Aber er machte sich keine Sorgen, denn er war sich sicher, dass der Auftrag nicht am Honorar scheitern würde. Die Kasse der Santissima Annunziata hatte bestimmt nicht unter der prekären finanziellen Situation der Stadt gelitten.
Wie so oft ließ er sich trotz allem mit dem dann tatsächlich erteilten Auftrag Zeit. Es war, als lege er es darauf an, dass sich die Miene des Priors verfinsterte. Da erst ließ er Salaì Papier aufspannen, nahm den Bleigriffel zur Hand und begann eine Szene mit der Jungfrau Maria, ihrer Mutter Anna und dem Jesusknaben zu zeichnen.
In dieser Zeit brachte sich Isabella d’Este nachdrücklich in Erinnerung. Da sie Leonardos genauen Aufenthaltsort nicht kannte, schaltete sie den Generalvikar der Karmeliter, Fra Pietro Novellara, als Mittler ein. Und dieser machte Leonardo über Lorenzo di Credi ausfindig.
»Die Markgräfin lässt anfragen, ob Sie hier dringende Arbeiten haben und für längere Zeit hierzubleiben gedenken. Sie möchte an ihr noch unvollendetes Porträt erinnern und bittet Sie zugleich um ein Gemälde für ihr Studierzimmer, dessen Gegenstand und Ablieferungsdatum sie ganz Ihnen überlässt. Gegebenenfalls darf es auch ein kleines Madonnenbild in dem Ihnen eigenen frommen und anmutigen Stil sein, so ihre Worte.«
Novellara blickte von dem Brief auf, aus dem er zitiert hatte, und sah Leonardo an. »Was darf ich ihrer Exzellenz antworten, Meister da Vinci?« Er setzte eine hoffnungsfrohe Miene auf, als rechne er mit einer positiven Reaktion.
»Schreiben Sie ihr, dass…«, Leonardo dachte kurz nach. »Schreiben Sie ihr, dass ich sie nicht vergessen habe, aber wegen eines bedeutsamen kirchlichen Auftrags vorerst nicht dazu komme, ihr Porträt fertigzustellen.«
Der Gesichtsausdruck des Generalvikars wurde besorgt. »Ich fürchte, die Marchesa wird es nicht dabei bewenden lassen, Meister da Vinci.«
»Nun, dann erwartet uns wohl eine rege Korrespondenz – für die ich leider auch keine Zeit habe. Ich nehme an, Sie werden alles Weitere abwickeln, da ich Sie über die Situation ins Bild gesetzt habe?«
»Ihr Vertrauen ehrt mich, aber… Können Sie der Marchesa wirklich nichts in Aussicht stellen?«
»Nur, dass sie sich etwas gedulden muss. Es ist nun einmal, wie es ist, Hochwürden.«
Das Porträt von Isabella d’Este blieb also unfertig in der Ecke stehen. Und die Marchesa schrieb weiterhin Briefe an den Generalvikar, in denen sie mit wachsender Ungeduld darauf drang, dass Leonardo wenigstens einmal persönlich antworten möge. Salaì sorgte freilich dafür, dass dieser nicht damit behelligt wurde, und schmetterte den unglücklichen Novellara kategorisch mit der Erklärung ab, dass der Meister unter keinen Umständen gestört werden dürfe, wenn er bei der Arbeit sei.
Auch der Prior der Santissima Annunziata musste sich lange in Geduld üben, wurde aber mit dem fertigen Karton von der Anna Selbdritt reich dafür belohnt. Staunend stand er vor dem meisterhaften Werk.
»Meister da Vinci, das übertrifft meine kühnsten Erwartungen«, bekannte er mit hörbarer Ehrfurcht. »Mir ist, als blickte ich auf ein Wunder Gottes!«
»Hm…« Leonardo ließ sich auf einen Sessel mit weichem Samtpolster nieder, den er sich hatte besorgen lassen, damit er darauf ausruhen konnte, wenn Rücken und Schultern zu schmerzen begannen. Der Blick, mit dem er seine Arbeit bedachte, zeugte von merkbar geringerer Begeisterung.
»Sie sind erschöpft«, stellte der Prior fest.
Leonardo gab keine Antwort darauf. »Das ist nichts als das Ergebnis von Studium, Wissen und Erfahrung, wie sie einem jeden zugänglich sind, vorausgesetzt, er hat Hirn im Schädel und kein Sägemehl.«
»Jetzt stellen Sie Ihr Licht aber unter den Scheffel, Meister da Vinci.«
Leonardo schüttelte den Kopf, ungehalten fast. »Ich werde die Arbeit nach und nach
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