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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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Leonardo zu.
    »Ich muss Ihnen leider eine schlechte Nachricht überbringen. Es gibt keinerlei Übereinstimmung zwischen der Handschrift des Denunzianten und der auf dem Zettel, den Sie mir gegeben haben.«
    Leonardo war überrascht. »Wie kann das sein?«
    »Vielleicht haben Sie mehr Feinde, als Sie dachten.«
    »Es kann eigentlich nur jemand aus der Werkstatt gewesen sein. Es gibt sonst niemanden, der mich mehr als nur flüchtig kennt.« Leonardo trat ans Fenster und blickte auf den Innenhof hinaus. »Warum ist es nicht Sache des gemeinen Denunzianten, seine Behauptungen zu beweisen? Warum muss ich mich verteidigen?«
    »So schreibt es unser Rechtssystem nun einmal vor, Meister da Vinci.«
    Ginevra sagte: »Ich werde mit Lorenzo de’ Medici darüber reden. Als großer Kunstliebhaber wird er es bestimmt nicht zulassen, dass dem besten Porträtmaler von Florenz auch nur ein Haar gekrümmt wird.«
    Leonardo sah Ginevra an. »Würdest du das wirklich für mich tun?«
    Sie zeigte ihm ihr selbstbewusstes kleines Lächeln. »Jetzt tu doch nicht so, eine so große Gunst ist das nun auch wieder nicht.«
    »Ich danke dir, Ginevra.«
    Als Leonardo einige Tage später von einem Spaziergang zurückkehrte, winkte Verrocchio ihn stumm in sein Büro. Er bedachte Leonardo mit einem unfreundlichen Blick, als dieser sich ungefragt auf einem Stuhl niederließ, müde die Beine streckte und ein wenig gelangweilt zu ihm aufschaute. »Ich hatte Besuch«, erklärte Verrocchio. »Ein gewisser Ser Roberto di Davillio, dein Anwalt.«
    »Oh«, sagte Leonardo. » Dimmi , es gibt hoffentlich gute Neuigkeiten?« Und als Verrocchio nicht gleich antwortete: »Also nicht…«
    »Er wollte unbedingt Schriftproben von allen, die hier arbeiten und die schreiben können.«
    Leonardo musste das erst verarbeiten, bevor er fragte: »Hast du sie ihm gegeben?«
    »Warum sollte ich deinem Anwalt etwas verweigern?«
    Verrocchio hatte einen sarkastischen Ton angeschlagen, der Leonardo verteidigend erwidern ließ: »Wäre es nicht für alle besser, wenn…« Er zögerte.
    »Wenn man seine Kollegen und Schüler, ja womöglich sogar mich nicht länger verdächtigen müsste?«
    »Warum solltest du ein Interesse daran haben, mich in den Kerker zu bringen?«
    »Was weiß ich, vielleicht, weil du jetzt besser malst als ich?« Verrocchio ließ sich gleichfalls auf einen Stuhl nieder. »Ach, vielleicht hast du ja recht, Verdächtigungen sind schlimmer als alles andere…« Er sah Leonardo an. »Und was, wenn es tatsächlich einer von uns ist?«
    »Dann habe ich ein Hühnchen mit ihm zu rupfen.«
    Verrocchio schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Ich glaube, es wäre wirklich gut für dich, wenn du eine Weile nicht in Florenz bist, Leonardo.«
    »Du bist größer und stärker als ich«, sagte Marco Morano. »Du kannst mich schlagen, bis ich mich nicht mehr erheben kann. Was hindert dich?«
    Sie standen im Garten hinter der Werkstatt, bei dem Feigenbaum, zu dem Leonardo ihn an seinem Hemdkragen mitgeschleift hatte. Um sie herum scharrten gackernde Hühner in der Erde, und irgendwo krähte laut ein Hahn.
    Leonardo hatte in der Tat vorgehabt, dem anderen den Kopf einzuschlagen, wie er es mit dem Dieb auf dem Ponte Vecchio getan hatte. Aber jetzt, da er dem, der ihn angeschwärzt hatte, von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, waren Wut, Abscheu und Rachegelüste plötzlich verflogen. Weil er es nicht verstand.
    Er ließ den anderen los. »Warum hast du das getan, Marco? Warum denn bloß? Womit habe ich das verdient? Wie kann ich dir so im Weg gewesen sein, wo wir doch kaum noch miteinander zu tun hatten?«
    »Eben. Und warum nicht? Weil du mich all die Jahre übersehen hast, als existierte ich gar nicht mehr für dich. Dabei war ich es doch, der dich in die Grundlagen der Malerei eingeführt hat, bevor Racanato mich verdrängte. Es ist schon ein Wunder, dass du überhaupt noch weißt, wie ich heiße! Manchmal war ich…«, Morano biss sich auf die Lippe, »manchmal war ich sogar eifersüchtig auf Vannucci, weil du dich mit ihm gestritten hast. Ihn hast du wenigstens beachtet. Und je mehr du lerntest, desto schlimmer wurde es. Als du dann Verrocchio als Geselle zur Hand gehen durftest, hast du mich überhaupt nicht mehr wahrgenommen.«
    »Aber was ist denn das für ein Unsinn! Ich bin dir immer dankbar…«
    »Und als dann noch dieser Leon Battista Alberti – Gott hab ihn selig – hier auftauchte. Was wollte ein junger Adonis wie du mit so einem alten…« Morano brach

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