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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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ab. »Nein, von den Toten soll man nur Gutes reden«, sagte er dann in verändertem Ton.
    Zunehmend ungläubig fragte Leonardo: »Willst du mir wirklich erzählen, dass du eifersüchtig warst? Du?«
    »Als ich dich an jenem Abend aus dem ›Monte Rosa‹ kommen sah, wo dieser schmierige Jacopo Saltarelli…« Morano stockte erneut und wandte den Blick von Leonardo ab. »Und Vannucci, der eigens deinetwegen um die Adresse dieses jungen Modells bat…« Er presste die Augen zu und holte tief Luft. »Da wurde es mir zu viel, Leonardo.« Er sah ihn mit einem seltsamen Blick an. »Eigentlich wünschte ich dir den Tod, um von diesem Schmerz erlöst zu sein.«
    »Warum hast du mir nie etwas gesagt?«
    »Was hätte ich denn sagen sollen?«, erwiderte Morano verzweifelt. »So etwas wie: Leonardo, ich habe wie du eine Vorliebe für Männer. Wollen wir nicht einmal…«
    »Wer sagt denn, dass ich…?«
    »Ach, komm!«
    »Das verfolgt mich wie ein böser Schatten«, sagte Leonardo. Aber er merkte, dass seine Wut jetzt vollends verraucht war.
    »Wenn du das alles Verrocchio erzählst, werde ich nicht länger hier arbeiten können«, konstatierte Morano. Sein Ton war mit einem Mal fast nüchtern. »Ich werde…«
    Leonardo bedeutete ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. »Ich gehe demnächst für eine Weile an einen anderen Ort, und danach werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach meine eigene Werkstatt aufmachen. Ich werde dich nicht bitten, bei mir zu arbeiten, aber ich wüsste nicht, welchen Schaden du hier sonst noch anrichten könntest.«
    Marco Morano machte ein ungläubiges Gesicht. »Meinst du damit, dass du mich nicht verraten wirst?«
    Leonardo sah ihn kurz brütend an und sagte dann: »Du bist der Signoria jetzt als Denunziant bekannt. Du wirst dich also nicht mehr hinter der Anonymität verstecken können, falls du je wieder die Lust verspüren solltest, irgendwem etwas am Zeug zu flicken.«
    Mit einem ungewohnten Gefühl der Leichtigkeit wandte sich Leonardo von Morano ab und ging.

10

    Mit dem Rücken zum Ladentisch schaute Leonardo durch die Schaufenstervitrine nach draußen. Er hörte die Tür hinter sich aufgehen.
    »Guten Morgen. Womit kann ich Ihnen dienen?«
    »Ich benötige einige Töpfe«, antwortete Leonardo, ohne sich umzudrehen.
    »Wie kommt ein Künstler, der so prachtvolle Bilder malt wie Sie, dazu, seine Töpfe in einem bescheidenen Laden wie dem unsrigen zu besorgen?« Adda schmunzelte, als Leonardo sich umwandte. »Dein Rücken ist mir zwar nicht so vertraut, aber deine Stimme hat dich verraten«, sagte sie. Sie kam hinter dem Ladentisch hervor, um ihn zu umarmen. Nur ganz kurz, dann zog sie sich zurück, als habe ihre spontane Geste sie selbst erschreckt. »Warum bist du schon so lange nicht mehr hier gewesen?«
    Ja, das ist wirklich eine interessante Frage, dachte Leonardo. Obwohl er Magdalena und ihre Tochter weiß Gott nicht vergessen hatte, hielt ihn irgendetwas immer wieder davon ab, sie tatsächlich aufzusuchen.
    »Ich bin kein geselliger Mensch, Adda. Außer den Leuten, mit denen ich beruflich zu tun habe, sehe ich kaum jemanden.«
    »Und jetzt kommst du nur, weil du Töpfe benötigst?«
    »Ja, ich brauche das eine und andere. Ich beziehe demnächst meine eigene Werkstatt.«
    »Alle Achtung. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!«
    »Ob das Glückwünsche wert ist, muss sich noch zeigen. Ich habe ganze zwei Aufträge und bis jetzt nur einen einzigen Schüler.« Verrocchio hatte ihm versprochen, Aufträge an ihn weiterzugeben, falls er in Not sein sollte. Ja, solange ich mich nicht zum ernsthaften Konkurrenten entwickle, dachte Leonardo insgeheim, aber das behielt er wohlweislich für sich.
    »Ich bin allein«, sagte Adda, als sie ihn zu der Tür blicken sah, durch die sie gerade hereingekommen war. »Mutter ist Ton holen. Und um deine nächste Frage gleich vorwegzunehmen: Nein, ich bin noch immer nicht verheiratet.«
    »Da verpasst aber einer eine große Chance«, sagte er aufrichtig. »Erzähl mir nicht, dass du keine Verehrer hast.«
    »Ach, Leonardo, die Männer, die ich bisher kennengelernt habe…« Adda zuckte die Achseln. »Vielleicht habe ich zu hohe Ansprüche, wo ich doch gar keine Mitgift bieten kann.« Sie sah Leonardo mit einem eigenartigen Blick an. »Aber du scheinst in dieser Hinsicht auch keine Eile zu haben, wenn ich so sagen darf.«
    »Man muss eben Prioritäten setzen«, erwiderte er ausweichend. »Und ich bin gerade erst aus Pistoia zurück, wo ich geraume Zeit

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