Der Maler Gottes
ringsum. Wäre ich ein Maler wie du, so würde ich losziehen und die Farben suchen, die das Leben so malen, wie ich es mir wünsche. Ich würde Bilder malen, die voller Anmut und Schönheit sind, aber auch das Böse nicht verleugnen.«
Mit jedem Wort, das Magdalena gesprochen hat, geht Matthias’ Atem schneller.
»Glaubst du, dass es sie gibt, diese Farben?«, fragt er in fieberhafter Erwartung. So sehr ähneln Magdalenas Gedanken seinen eigenen, dass er kaum mehr zu atmen vermag. »Ja. Ich bin ganz sicher. Diese Farben kommen von Gott. Sie sind wie Jesus, unser Herr. Wer sie sucht, der wird sie finden«, erwidert Magdalena.
Ganz heiß wird Matthias bei diesen Sätzen, die klingen wie das Echo seiner eigenen Stimme. Er hat sie gesehen, diese Farben. In der Nacht, als er die Heilige Jungfrau malte, hat er sie gesehen. Farben, die von Jesus kamen. Noch nie hat er jemanden getroffen, der so ähnlich denkt und fühlt wie er, der ein ähnliches Erlebnis hatte. Heiß wie Blut strömt das Glück durch seine Adern, vertreibt alle Traurigkeit aus seinem Herzen. Endlich, endlich hat er einen Menschen getroffen, der ihm ähnlich ist. Ist er also doch nicht schlechter als die anderen? Hat er in Magdalena vielleicht sogar den lang ersehnten Freund gefunden? Einen Freund, eine Freundin, eine verschwisterte Seele?
Behutsam nimmt er Magdalenas Hand, sieht in ihr Gesicht. Ihre Blicke treffen sich. Sie lesen ineinander wie in einem Buch. Ihre Gedanken begegnen sich, ihre Gefühle, ihre Seelen berühren sich. Noch nie hat sich Matthias so glücklich gefühlt wie in diesem Augenblick. Alle Traurigkeit ist so vollständig von ihm abgefallen, als hätte es sie nie gegeben. Hat ihm Jesus dieses Mädchen geschickt? Hat er sie an den Anfang des Weges gestellt, den er gehen muss, gehen will? Ist sie ein Zeichen? Das Symbol seines Aufbruchs?
Leise sagt er: »Ich werde die Farben finden. Bilder werde ich malen damit, die schöner sind als alle, die es je gab. Ich weiß, dass ich das kann, dass ich das tun muss.« Und ebenso leise erwidert Magdalena: »Du wirst sie finden. Und ich werde eines Tages von einem Bild hören, das du gemalt hast. Ein Bild, vor dem die Menschen stehen und weinen.«
Ein Bild, vor dem die Menschen stehen und weinen. Ja, das ist es, was Matthias will. Ein Bild schaffen, das die Seelen der Menschen berührt, das tiefe Gefühle freisetzt. Ein Bild, ein Gleichnis will er schaffen, das aufregender, schöner, größer und wahrer ist als die Wirklichkeit. Das ist seine Aufgabe, seine Berufung, sein Ziel. Vor Magdalena hat er es bekannt, hat es damit versprochen. Sie reden noch lange in dieser Nacht, erzählen einander ihre Wünsche und Träume, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, wie man das nur des Nachts kann. In der Dunkelheit, die jede Scham zudeckt und den Blick in das tiefste Innere erlaubt, sind sie sich so nahe, dass sich ihre Seelen berühren, ohne im Körperlichen einen Ausdruck zu finden. Sie sitzen nebeneinander, halten einander fest und reden. Mehr nicht. Nicht weniger.
Als ihnen vor Müdigkeit die Augen zufallen, legen sie sich hin, Magdalena kuschelt sich zusammen, birgt ihren Kopf an seiner Schulter, so dass ihr Haar sein Gesicht berührt. Matthias riecht den Duft ihres Haares, riecht auch den Schweiß fremder Männer darin. Magdalena seufzt, und ihr Körper bebt dabei. Matthias zieht sie in seine Arme, hält sie ganz fest, wiegt das Mädchen ganz sanft und streicht ihr über das Haar.
Er fühlt ihre Brüste an seinem Oberkörper, spürt ihre Schenkel an seinen. Er streicht ihr das Haar aus dem Gesicht, streichelt behutsam ihre Wange – und fühlt eine lange, breite Narbe. Für einen Moment erschrickt er und zieht seine Hand zurück. Dann sieht er Magdalenas prüfenden Blick, und ganz behutsam liebkost er die wulstige Verunstaltung in ihrem Gesicht, die bisher unter ihrem Haar verborgen lag. Und Magdalena ist dankbar, dass er keine Frage stellt, und schmiegt ihr Gesicht in seine streichelnde Hand.
Sie seufzt noch einmal aus tiefster Seele wie ein Kind, schlingt voller Vertrauen beide Arme um seinen Hals und drückt ihre warme Wange gegen seine. Sie halten sich umschlungen, halten einander fest. Und Matthias streichelt ihr Haar, atmet den Geruch der fremden Männer ein, streichelt ihren Rücken und flüstert unbeholfen die Worte, die er einmal von einer Amme gehört hat: »Magdalena, alles wird gut.«
Und Magdalena flüstert: »Jetzt ist es gut, Matthias.« Als Magdalena eingeschlafen ist, löst sich
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