Der Maler Gottes
sich über jeden Tag und jeden Menschen freuen kann wie über ein Geschenk. Er zeigt Matthias seine Schlafkammer, schöner und bequemer als die, die Matthias in Grünberg bewohnt hat, und weist dem Jungen einen Platz am unteren Ende des Tisches zu.
Friederike, seine Frau, trägt eine große Schüssel mit Suppe herein, stellt Brot und eine Platte mit gebratenen Speckscheiben, ein Fässchen Salz und einen Krug Dünnbier auf den Tisch.
Der Meister sitzt am Kopfende des Tisches, neben ihm seine Frau, auf der anderen Seite die beiden Gesellen, zuerst der ältere, dann der jüngere. Ihnen gegenüber sitzen die beiden Mägde. Dann kommt die Amme mit den beiden kleinen Kindern, auf der anderen Seite der Lehrling, und daneben, am unteren Ende der Tafel, quetscht sich Matthias auf die Bank.
Nach dem Tischgebet wartet Matthias bis zum Schluss, ehe auch er sich eine dünne Scheibe Speck und einen Kanten Brot nimmt. Er taucht als Letzter seinen Holzlöffel in die herumgereichte Suppenschüssel und trinkt aus einem Becher, den er sich mit dem Lehrling teilt, Wasser dazu. Das Dünnbier ist nur für den Meister und die beiden Gesellen bestimmt.
Matthias stützt die Ellbogen auf den Tisch und fällt beinahe gierig über das Essen her. Mit der ganzen Hand greift er nach dem Speckstück, tunkt es in das Salzfass. Mit der anderen bricht er das Brot und schiebt sich das Essen in den Mund. Mit vollen Backen packt er den Becher mit dem Wasser und spült einen kräftigen Schluck hinterher, taucht wieder den Löffel in die gemeinsame Schüssel, tunkt auch sein Brot dort hinein. Dann wischt er sich mit dem Ärmel über den Mund, streift die Hände am Beinkleid ab.
Die beiden Gesellen an Meister Fyolls Tisch grinsen, und auch der Meister kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sogar der Lehrling, ein 14-jähriger verpickelter Bursche, grinst. Nur die beiden Mägde und die Amme verziehen angewidert das Gesicht. Matthias sieht es, hört auf zu kauen, schaut den Meister fragend an. Der Meister nickt ihm freundlich zu. »Iss nur, Junge. Man sieht, dass es dir schmeckt. Doch eines musst du wissen: Als Maler und Bildschnitzer wirst du es vielleicht später einmal mit der Obrigkeit zu tun haben, denn von ihnen kommen die Aufträge. Dann musst du ihre Sitten und Gebräuche lernen, musst wissen, wie man sich bei Tisch vornehm benimmt, wie man sich kleidet, wie man geistreiche Gespräche führt. Auch das wirst du bei mir erlernen müssen, doch dafür haben wir noch später Zeit.« Matthias stutzt. »Bisher hat niemand an meinen Tischsitten Anstoß genommen, niemand meine Kleidung bemängelt«, erwidert er ein bisschen beleidigt. »Maler will ich werden und ein gottgefälliges Leben führen, kein Höfling mit Schnabelschuhen und eigenem Messer.« Die Gesellen lachen jetzt laut heraus, schlagen sich auf die Schenkel.
»Ein Bauer bist du«, sagt einer. »Und wie ein Bauer benimmst du dich, bist gekleidet wie einer vom Land. Jetzt bist du in der Stadt. Also musst du dich benehmen wie ein Städter, wenn aus dir was werden soll. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.«
»Bis dahin ist noch ein weiter Weg«, ermahnt Meister Fyoll seine beiden Gesellen. »Zunächst muss er sein Handwerk lernen, die städtischen Sitten und Gebräuche werden mit der Zeit von ganz alleine kommen.« Schon am nächsten Tag zeigt ihm Meister Fyoll die Werkstatt. Wenn Matthias bisher gedacht hat, sein Wissen, seine Fähigkeiten reichten aus, um sein Brot notfalls selbst zu verdienen, so merkt er hier ganz schnell, dass sein Können vielleicht für die bescheidenen Grünberger Ansprüche genügt hat, nicht aber für die Verhältnisse dieser Stadt.
Er muss noch einmal ganz von vorne anfangen und erkennt rasch, dass alle seine bisherigen Arbeiten nichts als Fingerübungen gewesen sind. Meister Fyoll hat Italien bereist und gedruckte Blätter berühmter Maler und Kupferstecher gesehen. Auch in den Niederlanden ist er gewesen, hatte dort die alten Meister studiert. Seine Malweise unterscheidet sich gewaltig von der Art des Vaters. Ganz neue Techniken wendet Fyoll an, Techniken, mit denen niemand in Grünberg bisher in Berührung gekommen war, die aber einen ganz neuen Malstil erkennen lassen. Und Matthias ist begierig darauf, diese neuen Techniken zu lernen.
Er steht am Morgen seinem Rang gemäß gleich nach dem jüngsten Lehrling auf, holt Wasser, kehrt zusammen mit dem Lehrling die Werkstatt, schürt das Feuer. Wochenlang grundiert er Malflächen auf Holz, auf Pergament und auf
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