Der Maler Gottes
verschiedenen Papieren, übernimmt Handlangerdienste für die Gesellen. Dann übt er sich unter Fyolls Anleitung im Anreiben der Harz-und Wasserfarben, am Mischen der Tinten. Am Anfang ist er mit Begeisterung dabei, doch bald ermüden ihn die sich ständig wiederholenden Arbeitsabläufe, die er längst im Schlaf beherrscht. Er will malen, zeichnen und schnitzen, sich im Gestalten versuchen. Blatt für Blatt soll entstehen, eines immer ein bisschen besser als das vorherige. Hier, wo es scheinbar keinen Mangel an Papier gibt, fällt es ihm besonders schwer, zunächst die Grundlagen des Handwerkes zu vervollkommnen. Meister Fyoll bemerkt den Ehrgeiz seines älteren Lehrlings, bemerkt auch, dass alles in ihm zu den Stiften und Pinseln drängt. Geduld ist auch etwas, das Matthias noch lernen muss, denkt er und sagt: »Erst wer die Buchstaben kennt, kann Wörter und schließlich Sätze schreiben. Du willst zu viel auf einmal. Warte noch eine kleine Weile, dann kannst du mit dem Kopieren von Vorlagen beginnen.«
»Vorlagen kopieren?«, fragt Matthias verwundert. »Vorlagen kopieren wie der kleine Lehrling?« Fyoll nickt: »Ja, du musst das perspektivische Zeichnen üben, die Einteilung des Raumes. Ich glaube nicht, dass du bisher gelernt hast, nach Art der italienischen Meister zu zeichnen. Oder doch?« Der Meister stutzt: »Ich habe noch nie eine Zeichnung von dir gesehen. Alles, was du an Arbeiten aus Grünberg mitgebracht hast, waren kleine, flächig gemalte Bilder und ein paar geschnitzte Figuren.«
»Wartet, ich hole ein paar Sachen«, erwidert Matthias, läuft in seine Kammer und kommt mit der Zeichnung und den Skizzen von Magdalena zurück. Meister Fyoll betrachtet lange die Blätter, sehr lange. Matthias steht daneben, wartet ungeduldig. Endlich sieht der Meister auf. »Eine brauchbare Zeichnung, ganz gut für den Anfang«, sagt er. »Du hast ein unbestechliches Auge. Auch die Raumaufteilung ist recht gelungen, das Licht-und Schattenspiel noch nicht ganz ausgewogen. An der Perspektive musst du allerdings noch arbeiten. Auch das Wesen des Mädchens ist noch nicht erkennbar, es mangelt am Ausdruck in ihrem Gesicht. Wer ist sie?« Matthias spürt leise Röte im Gesicht. »Ihr Name ist Magdalena«, sagt er nur.
Fyoll sieht ihn fragend an, wartet auf eine Erklärung. Matthias weicht dem Blick aus, antwortet nicht, reißt Fyoll fast schon die Zeichnung aus der Hand, rollt sie beschämt zusammen. »Ich habe versprochen, die Zeichnung ihrer Mutter zu bringen«, sagt er hastig und rührt voller Scham in einem Farbbecher.
Meister Fyoll hat Recht, Matthias weiß es. In der Mühle schien ihm die Zeichnung gelungen, doch hier in der Werkstatt hat er Bilder und Zeichnungen entstehen sehen, die weitaus besser sind als alles, was er je gemacht hat. Grob kommt ihm seine Zeichnung nun vor, grob und ungeschlacht, Magdalenas Gesicht flach und leblos. Fyoll hat Recht, denkt er wieder, ich bin ein schlechter Zeichner, muss noch viel lernen und üben, ehe ich es auch nur mit den anderen Gesellen aufnehmen kann. Jetzt bereut er es, die Zeichnung gezeigt zu haben. Das Lob des Meisters hat er schon vergessen. Es gilt ihm nichts neben all den Mängeln seiner Arbeit. »Ab heute wirst du alle Gegenstände in diesem Haus zeichnen. Doch vorher wirst du diese Zeichnung für mich kopieren. Am Abend kannst du sie der Mutter bringen«, bestimmt Meister Fyoll und erklärt Matthias die Grundzüge des perspektivischen Gestaltens. Der Junge hat ein wahres Talent, überlegt Fyoll, vielleicht die größte Begabung, die ich jemals in meiner Werkstatt hatte. Aus ihm kann ein großer Meister werden. Und er ist ehrgeizig. Ehrgeiziger, als gut für ihn ist. Ich darf ihn nicht zu viel loben. Was treibt ihn an?
5. KAPITEL
Dis zum Spätsommer des Jahres 1499 malt Matthias jeden Becher, jeden Krug, jeden Topf und jede Schüssel im Haus.
Er sucht nach Wegen zur Anordnung der Gegenstände, übt sich im Aufteilen der Fläche und in der Gewichtung der Kontraste, um die notwendige Bildspannung zu erzeugen. Wenn die Mägde oder die Meisterin einen Haushaltsgegenstand vermissen, schauen sie nicht mehr in der Küche, sondern in Matthias’ Kammer nach. Meist finden sie, was sie suchen, denn Matthias entwickelt einen beinahe unwürdigen Ehrgeiz. Er ist besessen, nichts anderes gibt es für ihn. Alles in ihm brennt. Begierig ist er darauf, die neuen Techniken zu lernen. Hohläugig und übernächtigt schleicht er durch die Werkstatt, und an den Fingern, die die Kohle
Weitere Kostenlose Bücher