Der Maler Gottes
Meister Holbein? Geht die Arbeit am Altar gut voran?«, fragt Riemenschneider.
Und Matthias berichtet in knappen Worten, was ihm Meister Holbein aufgetragen hat, dass der Dominikaneraltar wächst und wächst.
»Und die Stimmung in der Stadt, wie ist die?«, fragt Riemenschneider weiter, doch Matthias zuckt mit den Schultern.
»Was meint Ihr? Die Leute arbeiten, beten und schlafen wie überall im Land. Nur zur Messezeit lebt die Stadt sowohl bei Tag als in der Nacht.«
»Von Unruhen ist nichts zu spüren?«
»Unruhen? Nein, Unruhen gibt es keine. Die Galgen hängen voll, im Schuldturm herrscht Gedränge, und der Kerker ist belegt, doch sonst ist alles ruhig.«
»Wir wollen beten, dass es so ist, wie Ihr sagt«, beendet Riemenschneider das Thema. Er sieht Matthias nachdenklich an und lässt sich dann sein Skizzenbuch zeigen.
Vom ersten Augenblick an lernt Matthias viel in Riemenschneiders Werkstatt. Er arbeitet mit Hohlbeitel, Schnitzeisen, Geißfuß und Klöpfel, lernt den behutsamen Umgang mit Raspel, Feile, Sandpapier und besonders den mit einer ganz eigenen Wachspolitur, die den geschnitzten Figuren einen starken Ausdruck von Lebendigkeit und Plastizität verleiht.
Ging es in der Werkstatt Fyolls familiär zu, im Dominikanerkloster streng, so findet im Hause Riemenschneider ein feuchtfröhliches Zunftleben statt. Jeden Abend gehen der Meister und die Gesellen in die Zunftstube. Auch Matthias geht mit. Es war Riemenschneiders Wunsch gewesen, dass Matthias sich den Gesellen und Gehilfen anschließen möge.
Matthias macht es nicht gern. Die Zeit, die er nicht mit Pinsel und Schnitzmesser verbringen kann, scheint ihm verlorene Zeit zu sein. Doch er will Riemenschneiders Ansicht, er, Matthias, brauche das Vergnügen, brauche die Geselligkeit der Jugend, nicht widersprechen. Und da sitzen sie dann alle gemeinsam am Tisch und amüsieren sich bei Dünnbier, Würfelspiel, Zunftklatsch und groben Scherzen. Matthias, der Neue, hockt ganz hinten am Ende der Bank, weit weg von den Wortführern, weit weg vom Kamin, am Platz neben der Eingangstür, dort, wo es am kältesten, am zugigsten ist und das Talglicht immer wieder verlöscht.
Während die anderen sich auf die Schenkel klopfen, lachen und einen Krug nach dem anderen trinken, sitzt Matthias da, seinen Becher mit beiden Händen umklammernd, die Augen gesenkt und im Gesicht ein festgeklebtes Lächeln, das nach einer Weile zu schmerzen beginnt. Mit einem Ohr hört er auf die Reden der anderen, mit dem anderen Ohr lauscht er auf die Stimmen aus seinem Inneren.
»13 Becher Starkbier habe ich zur letzten Fastnacht getrunken und bin dann mit zwei Mädchen zugleich in die Büsche. Weiß der Himmel, wie ich es denen besorgt habe…«
Ich wäre lieber in meiner Kammer jetzt, würde lieber den Pinsel oder das Schnitzmesser in der Hand halten als den Becher.
»Pah! Du Aufschneider! Die eine lacht heute noch, wenn sie dich in der Stadt trifft. Nicht der Himmel, aber ganz Würzburg weiß, dass du deinen Kopf in den Schoß der einen und die Füße in den Schoß der anderen gelegt und geschnarcht hast, dass sich im Stadtwald die Bäume bogen.«
Ich könnte eine kleine Statue schnitzen. Ganz schlicht nur, aus einfachem Holz und ohne farbigen Überzug. Mit zwei Mägden in die Büsche! Im Namen Magdalena steckt auch das Wort Magd.
»Und du, Eckehardt? Von dir sagt man, du schleichst schon ein Jahr um die Meisterin aus der Obergasse herum. Wartest wohl drauf, dass der Alte stirbt und du die Werkstatt samt Frau kriegen kannst?« Ob es wohl mit der Wachspolitur gelingt, ganz auf Farben zu verzichten?
»Los, ein Lied. Matthias, sing mit!« Ein Stoß trifft Matthias in die Rippen, er schreckt auf, sieht in ein grinsendes, rotwangiges Gesicht mit funkelnden Augen und schweißglänzender Stirn. Eine stark behaarte, kräftige Hand, die einen Becher hält, nähert sich ihm.
»Trink, Bruder, wir sind zum Spaß hier. Stoß an mit mir. Stoß an auf die Liebe und das Leben.« Matthias grinst zurück, schlägt seinen Becher gegen den des anderen, dass das Bier herausschwappt, grinst in die Runde, bis ihm die Backen wehtun, trinkt, wischt sich mit dem Ärmel die Lippen.
Und jetzt das Lied, drei, vier ›An Sippschaft reich, an Freuden arm, das ist ein rechtes Gotterbarm, da wäre besser, Freundschaft ohne Sippe und stammst du auch aus königlicher Rippe, wenn Freunde fehlen, hast du’s schwer, leicht kann dir Sippschaft Ehre bringen, doch Freunde muss man sich erringen, Verwandtschaft
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