Der Maler Gottes
legt er den Umhang auf eine reich verzierte Truhe, die unter dem Fenster steht, dann gießt er sich aus einem Krug Wein in den Becher und bietet auch Matthias davon an.
»Ein Jahr seid Ihr nun schon bei mir, Matthias, und bald werdet Ihr weiterziehen nach Kronach.« Riemenschneider macht eine Pause und sieht seinen Gesellen nachdenklich an. Seine Hände hält er vor dem Bauch, dreht in seinen Fingern den Rosenkranz. Gebannt betrachtet Matthias diese Hände, die so wundervolle Dinge wie Adam und Eva am Hauptportal der Würzburger Marienkapelle geschaffen haben. Schlank sind diese Hände, mit kraftvollen Gelenken und starken Adern. Hände, die zupacken können. Und gleichzeitig so feingliedrig, so wohlgeformt, dass sie einem Ratsherrn alle Ehren machen, Hände, die das Holz nicht nur behauen, sondern es streicheln, ihm schmeicheln und sein Geheimnis entlocken. Riemenschneider räuspert sich, reißt Matthias aus seinen Betrachtungen. »Ihr habt eine große Begabung, Matthias, doch mir scheint, Ihr wisst sie nur unzureichend zu nutzen.«
»Wie meint Ihr das, Meister Riemenschneider?«
»Nun«, Riemenschneider dreht den Rosenkranz zwischen den Fingern, »nun, Ihr seid nicht recht gesellig, wisst Euch nicht zu verkaufen. Versteht Ihr?« Matthias schüttelt den Kopf. Riemenschneider seufzt und spricht dann klare Worte: »Ihr meidet die Zunftstube, meidet allen gesellschaftlichen Umgang und scheint nicht zu ahnen, was Euch da entgeht.«
»Ich tauge nicht zum Allerweltsfreund, habe kein Vergnügen an Wein und Würfelspiel.«
»Doch auch Ihr werdet eines Tages Meister sein wollen, Meister mit eigener Werkstatt, mit Auftraggebern und mit einer Familie. Auch Ihr wollt Ruhm und Ehre. Doch Ehre kommt nicht von allein. Man muss sich rechtzeitig bekümmern darum. Ich…« Riemenschneider unterbricht seinen Satz und sieht Matthias noch einmal nachdenklich an, ehe er weiterspricht: »Ich könnte Euch behilflich sein.«
»Ich tauge auch nicht zum Speichellecker.«
»Wer redet hier von Speichelleckerei? Ein Auskommen wollt auch Ihr haben. Jeder Mann Eures Standes, Eurer Zunft hat gewisse Verpflichtungen. Herrgott, Matthias, habt Ihr denn gar keinen Ehrgeiz?«
»Zum Lobe Gottes will ich malen, das ist mein Ehrgeiz.«
»Schön und gut! Aber Gott ernährt die Vögel in der Luft. Ein Mann muss sich selbst ernähren.« Riemenschneider stützt beide Arme auf den Schreibtisch und beugt sich zu Matthias.
»Ihr könnt eines Tages ein großer Künstler werden, in einem großen Haus wohnen, eine Werkstatt mit vielen Gesellen und reichen Auftraggebern haben. Ich kann Euch helfen dabei«, sagt er beinahe beschwörend. »Ihr wollt mir helfen?«
Matthias schaut auf, fühlt sich von Riemenschneiders Blick gefangen.
»Ihr wisst, einer meiner Söhne wird eines Tages meine Werkstatt übernehmen. Doch für meine Tochter Gertrud habe ich die Ehe mit einem guten Maler und Bildschnitzer ins Auge gefasst. Mit einem, der fähig ist, die Tradition meiner Werkstatt im eigenen Hause zu bewahren und fortzuführen. Noch hat das Zeit, aber wenn Ihr Eure Wanderschaft beendet habt, so sollt Ihr wissen, dass Ihr in meinem Hause gern gesehen seid.« Matthias sitzt vor Riemenschneider, und die Gedanken in seinem Kopf überschlagen sich. Er ist sich der großen Ehre bewusst, weiß auch, dass er sie nicht gebührend würdigen kann. Zu überraschend kommt es, zu sehr von seinen eigentlichen Wünschen ist es entfernt. Matthias denkt an Magdalena. Eine Werkstatt haben, eine Frau finden und eine Familie gründen? Wie soll das gehen? Er sucht nach Worten, die ausdrücken, wie sehr er sich geschmeichelt, wertgeschätzt fühlt, und die doch sagen, dass ihm der Sinn nach etwas anderem steht, ohne Riemenschneider zu kränken. Was soll er sagen? Wie soll er es sagen? Er sieht, wie Riemenschneider die Augenbrauen hochzieht. Jetzt muss er sprechen, sonst hat er den Meister beleidigt. Matthias räuspert sich, fängt vorsichtig an:
»Dank Euch, Meister Riemenschneider, für Eure Worte, für Euer großzügiges Angebot. Eure Gertrud ist ein tugendhaftes Mädchen, das den besten Ehemann verdient. Doch ein, zwei Jahre will ich noch lernen bei anderen Meistern. Eine lange Zeit, besonders für ein Mädchen von Gertruds Schönheit und Anmut.«
»Gewiss, Matthias, gewiss. Doch auf Dinge, die sich lohnen, lässt sich gut warten.«
»Nochmals Dank, Meister Riemenschneider. Das Ende meiner Wanderung wird mich, so Gott will, wieder über Würzburg führen. Wir werden sehen, ob ich
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