Der Maler Gottes
dann zum Meister und Ehemann tauge.«
Riemenschneider nickt, lächelt dann, nickt wieder, und Matthias ist froh, dass er die richtigen Worte gefunden hat. Er hat das Angebot weder ausgeschlagen noch angenommen und sich Riemenschneiders Zuneigung nicht verscherzt.
An einem der nächsten Abende schreibt Matthias einen Brief an Magdalena. Nur wenig Zeit bleibt ihm noch in Riemenschneiders Hause, und nun, nach dem Gespräch mit dem Meister, treibt es Matthias fort, fort nach Kronach.
Er hat viel gelernt in seinem Würzburger Jahr, hat am Heilig-Blut-Altar sogar mitgearbeitet. Bald schon wird er weiterziehen ins Fränkische hinein, in die Werkstatt von Meister Lukas. Riemenschneider hat ihm sogar einen kleinen Auftrag überlassen. Einen Altar soll er malen für die kleine Kirche in Lindenhardt bei Bayreuth. Tilman Riemenschneider selbst kommt nicht dazu und auch kein anderer aus seiner Werkstatt. Sie sind in erster Linie Bild-Schnitzer, keine Maler, der große Altar muss fertig werden, die Auftraggeber drängen. Der Ort Lindenhardt liegt nicht weit von Kronach entfernt, und Meister Lukas ist einverstanden, dass Matthias den Auftrag in seiner Werkstatt ausführt. Gesellen, die eigene Aufträge mitbringen, sind überall gerne gesehen.
Matthias sitzt auf dem Schemel, vor sich Papierblatt und Tintenhörnchen, in der Hand die gespitzte Feder. Er hat den Kopf in die Hand gestützt und sieht gedankenverloren aus dem Fenster. Er denkt an die Nacht in der Mühlenscheune, denkt an das Gespräch mit Magdalena, denkt an ihre letzte Begegnung. Ganz deutlich sieht er ihr Gesicht vor sich, sieht, wie sie vor ihm auf der Mainwiese steht. Ihre Seelen hatten sich berührt, mussten sich ganz einfach berühren, weil sie wider Willen verschlossen gewesen waren, verschlossen sein mussten für die anderen und doch danach drängten, sich zu öffnen. So hat es Matthias empfunden und in Magdalenas Augen wie in einen Spiegel gesehen. Sie waren einander begegnet wie zwei Bäche, die sich ihren Weg zueinander bahnen, ihren Weg durch Geröll, durch Sumpf und Steine hindurch, um sich zu vereinen in einem Fluss, größer, stärker, mächtiger als die beiden kläglichen Rinnsale, die sie gewesen waren. Matthias denkt an Magdalena und fühlt die Einsamkeit so drückend auf seinen Schultern, dass sie sich unter der Last beugen, nach vorn beugen, dem Papier zu. Ist es die Einsamkeit, die seine Hand führt, als er schreibt?
„Liebe Magdalena,
wenn du diesen Brief erhältst, bin ich wohl wieder auf Wanderschaft. Wenn ich gedacht hatte, in der Fremde ein Zuhause zu finden, so bin ich umsonst von Frankfurt weggegangen. Ein Zuhause! Ich trage die Sehnsucht danach in meinem Herzen, doch mein Herz findet keinen Platz, an dem es verweilen möchte. Weißt du noch, wie wir am Mainufer voneinander Abschied genommen haben? Für einen kurzen Moment nur habe ich in deinen Augen ein Zuhause gesehen. Wäre ich nicht von Gott zum Maler bestimmt, wäre ich geblieben. Doch so muss ich weiter, immer weiter. Ich denke sehr oft an dich, zeichne und schnitze dein Gesicht immer wieder, um niemals zu vergessen, wie du, meine Freundin, aussiehst.“
Wieder stützt er den Kopf in die Hand, sucht nach weiteren Worten, dann hört er plötzlich das leise, dumpfe Klappern von mit Tüchern umwickelten Hufen. Bald darauf klappt das Hoftor, der Schein einer Laterne dringt zaghaft zuckend in seine Kammer, Schritte werden laut, Stimmen flüstern Befehle, drängende Stimmen. Matthias lässt die Feder sinken und eilt nach unten in den Flur, um zu sehen, was es gibt.
Riemenschneider steht neben der offenen Haustür, hat die Schlafmütze auf dem Kopf und in der Hand eine Pechfackel. Auch Anna, seine Frau, trägt nur einen Umhang über ihrem Nachtkleid und sieht mit blassen, müden Augen hinaus auf den Hof. »Was ist geschehen?«, fragt Matthias. »Psst. Keinen Lärm. Seid leise, damit Ihr die anderen im Hause nicht aufweckt.«
»Was ist passiert?«
»Fragt nicht, nehmt die Pferde und führt sie ganz nach hinten in den Stall. Hört Ihr, ganz nach hinten.« Matthias hat Fragen auf der Zunge, doch er schweigt und tut, wie ihm Riemenschneider geheißen. Er nimmt den beiden Reitern, die hohlwangig, grau und abgekämpft wirken, die Zügel aus der Hand, während Riemenschneider gemeinsam mit seiner Frau damit beschäftigt ist, einen dritten Fremden, an dessen rechter Hand ein blutiger, verdreckter Verband hängt und der wie im Fieber stöhnt, ins Haus zu geleiten.
»Gertrud«, ruft
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