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Der Maler Gottes

Der Maler Gottes

Titel: Der Maler Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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des Meisters ihn zum Schweigen bringt, nicht aber seine Worte. Auch Meister Lukas sieht das.
    Er haut dem Jungen eins hinter die Ohren und faucht: »Willst du mir erklären, wie ein Bildgerüst anzulegen ist, hey? Die italienischen Meister mögen nach italienischer Fasson glücklich werden, die Deutschen malen nach ihrer Tradition. Kein Grund für dich und mich, uns den welschen Moden anzupassen. Punktum!« Meister Lukas kratzt sich mit dem Zirkel am Kopf und befiehlt: »Bis zum Abendläuten will ich einen gelungenen Aufriss sehen. Wenn nicht, prügele ich dir die deutsche Malart ins Hirn. Hast du mich verstanden, Kerl?«
    »Ja, Meister«, nickt der Lehrling stöhnend und beugt sich mit dem Stift über das Blatt.
    »So!« Meister Lukas reibt sich die Hände. »Wo ist der nächste Kerl? Eintreten soll er und mir zeigen, was er kann.«
    Erwartungsvoll betritt Matthias die Werkstatt, begrüßt den Meister und übergibt ihm sein Skizzenbuch und ein Schreiben Riemenschneiders. Ungeduldig reißt der alte Lukas das Siegel auf und liest.
    »So, so!«, sagt er und lässt endlich das Blatt sinken. »Ein großes Talent bist du, schreibt Riemenschneider, deine Arbeiten eines Meisters würdig und du fähig, einen eigenen Auftrag auszuführen. Wollen sehen, ob stimmt, was der Würzburger schreibt.«
    Meister Lukas gibt Matthias nicht einmal Zeit, sich gründlich in der Werkstatt umzusehen. Er packt ihn am Ärmel und zerrt ihn fast zu einer blanken, gut trockenen Holztafel mit den Maßen 159 Zentimeter in der Breite und 68,5 Zentimeter in der Höhe.
    »Die Lindenhardter Pfarrkirche hat eine Altartafel bestellt. Die vierzehn Nothelfer will der Priester sich in die Kirche hängen.« Er kichert und reibt sich die Hände. »Anscheinend ist die Not in der Gemeinde besonders groß. Na, mir soll’s recht sein. Wenn’s ihnen hilft.«
    Er tippt Matthias mit dem Zeigefinger vor die Brust und sagt: »Du wirst sie malen, die Tafel. So hat’s der Riemenschneider bestimmt, als er den Auftrag an mich weitergab.«
    Meister Lukas klopft mit dem Fingerknöchel auf das Holz.
    »In einem Kloster hast du gelernt, Kerl?« Matthias nickt.
    »Dann sag mir die vierzehn Nothelfer auf, damit ich sicher bin, dass du die Not hier nicht vergrößerst.« Matthias verkneift sich ein Lächeln über das hitzige Gemüt des kleinen, gedrungenen Mannes im befleckten Malerkittel, dessen Hals und Wangen noch die Spuren seiner letzten Tätigkeit – blaue Farbe – aufweisen. Gehorsam zählt er die vierzehn Nothelfer auf: »Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christopherus, Cyriacus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margareta, Pantaleon und Vitus.« Meister Lukas hat laut mitgezählt.
    »Gut!«, sagt er jetzt. »Aber male den Weibern die Mieder und Brusttücher recht hoch. Mir soll keiner nachsagen, ich brächte die Versuchung in die Kirche. Hast du verstanden? Und den Männern züchtige Jacken bis über die Scham, damit die Dorfweiber nicht vom Gebet abgelenkt werden, weil sie ihre Begierde nicht auf Gott, sondern die sittenlosen Schamkapseln, die heute in Mode sind, lenken. Los, los, fang an. Mach dir Gedanken, Kerl. Ich will bald erste Einfälle sehen.«
    Meister Lukas brummt noch einmal, dann verlässt er die Werkstatt. »Nehmt es nicht krumm, Geselle«, flüstert kichernd der Lehrling, als der Meister verschwunden ist. »Der Alte ist von ungestümer Wesensart, aber er kann keiner Fliege etwas zu Leide tun. Sein Sohn, wisst Ihr, er nennt sich Lucas Cranach, ist auch Maler. Ein berühmter sogar, der nach der neuen Art malt. In Wien ist er, zwei Jahre nun schon, und den Alten reut es, dass er ihm verboten hat, hier im Hause seine Bilder zu malen.«
    »Du weißt recht viel, Lehrling. Hältst deine Ohren offen, ja?«
    »Kronach ist keine Großstadt. In allen Gassen und Straßen, an jedem Brunnen und in jeder Kirche hört man, dass Lucas Cranach in Wien eine Malschule nach neuer Art gegründet hat. Donauschule nennt er sie, und die reichsten Handelsherren und viele Adlige bestellen bei ihm Bilder, während die Werkstatt seines Vaters keinen Nachfolger und nur wenig Aufträge hat.«
    Es dauert nicht lange, da hat Matthias sein Bild von den vierzehn Nothelfern im Kopf. Er sitzt am Zeichentisch und berechnet, wie er es von Fyoll, Holbein und von Riemenschneider gelernt hat, die Raumaufteilung. Mit Zirkel und Stift hantiert er, zieht Linien, setzt Bildpunkte, berechnet sogar die Blickkurve des zukünftigen Betrachters.
    Meister Lukas kommt und schaut ihm

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