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Der Maler Gottes

Der Maler Gottes

Titel: Der Maler Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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laufen, spürt beinahe die Wärme ihres Körpers. Er sieht ihr goldenes Haar hinter ihr her flattern wie ein fein gewebtes Tuch, sieht ihre fragenden und alles wissenden Augen, ihren kleinen Mund, ihre Gestalt. Er redet mit ihr, stellt Fragen, erhält Antworten. Von Würzburg bis Bamberg spricht er mit der Magdalena seiner Gedanken über das Jahr bei Riemenschneider. Er erzählt ihr, dass er sich dort zum ersten Mal ganz bewusst, ganz deutlich einsam unter den Menschen gefühlt hat und dass ihm diese Einsamkeit, diese Unfähigkeit, sich mit anderen gemein zu machen, als Mangel erschienen ist. Als Gebrechen gar, als Unzierde, so wie Magdalenas Narbe, die es fortan sorgfältig zu verbergen gilt.
    Und die Magdalena an seiner Seite hört ihm zu und fordert ihn auf dem Weg von Bamberg nach Bayreuth auf, sich über seinen zukünftigen Weg klar zu werden. Da ist Riemenschneiders Angebot, ihn nach dem Ende der Wanderschaft mit seiner Tochter Gertrud zu verheiraten. Das Angebot ist ohne Zweifel verlockend, verspricht es doch neben der eigenen Werkstatt das Würzburger Bürgerrecht und die vollgültige Aufnahme in die Zunft. Matthias’ gesellschaftliche Stellung würde sich mit einem Schlag erheblich verbessern, das Licht des gesellschaftlichen Lebens würde auch für ihn leuchten, für ein gutes Auskommen würde allzeit gesorgt sein. Jeden Tag eine warme Suppe, vielleicht sogar Fleisch, Frankenwein, nie mehr ein einsames, kaltes, sondern stets ein warmes Bett. Trotzdem, eine Zweckgemeinschaft, weitab von jeglichem Gefühl, wäre dieses Bündnis, das ist üblich, ist die Regel. Will sich Matthias auch hier nicht in die herrschenden Gepflogenheiten dreinschicken, obwohl sie seinem Besten dienen?
    Matthias weiß noch lange nicht, was wohl für ihn das Beste ist. Er kennt das Mädchen Gertrud kaum, hat nur hin und wieder einen Blick in Gertruds immer feuchte Augen getan und sich ansonsten keinen Deut um die Riemenschneider-Tochter bekümmert, so dass er sie jetzt nicht einmal beschreiben kann.
    Nein! Matthias schüttelt bestimmt den Kopf. Ein Leben im Würzburger Bürgeralltag mit Weib, Kindern, Zunft und Werkstatt ist nicht das, was er will, nicht das, was er sucht.
    Als in der Ferne auf einem Berg die Burg Rosenberg und kurz darauf auch die ersten Kronacher Häuser auftauchen, schwört er: Ich werde Gertrud nicht heiraten, will kein braver Handwerksmeister werden, sondern will auch hier das Vollkommene suchen.
    Die meisterhafte Malerei? Das unübertroffene Weib? Den untadeligen Freund? Den immer gegenwärtigen, immer allmächtigen, zweifelsfreien Glauben an die Liebe Jesu?
    Ja, Magdalena, denn was mir nicht das Einzige und allezeit das Einzige ist, das ist mir nicht einmal das Geringste, ist mir hohl und leer.
    Im Haus Zum scharfen Eck des Lukas muss er warten. »Der Meister ist in der Werkstatt. Gleich wird er Euch willkommen heißen«, sagt die Magd, nimmt sein Bündel und bringt es in eine Kammer.
    Matthias steht im Flur und sieht durch einen Türspalt in die Werkstatt, die sich im Erdgeschoss des Hauses gleich neben der Küche befindet.
    Er sieht einen weitläufigen Raum mit großen Fenstern, die nach der Straße hin mit einem Klappladen zum Verkaufen der Ware versehen sind. Davor ein großer Zeichentisch, zwei Staffeleien, einen Stoß Musterbücher, Papierballen, einen Ballen mit Leinwand, an den Wänden grundierte und ungrundierte Holztafeln. Matthias atmet den vertrauten Geruch nach Farben, Holz, Öl und Terpentin tief ein und beobachtet einen alten Mann – kein anderer als Meister Lukas –, der sich neben einem Lehrling über den Zeichentisch beugt. Mit der Hand weist er auf einen Bogen Papier, fuchtelt beim Reden mit der anderen Hand, die einen Zirkel hält.
    »Da, sieh! Nein, so geht das nicht! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass in meinem Hause nach alter Tradition das Gerüst des Bildes gebaut wird, hey? Einen Aufriss will ich sehen. Einen Aufriss mit Silberstift und Zirkel«, wettert der alte Mann und fährt mit dem Zirkel so wild über das Blatt, dass Matthias befürchtet, er werde es einreißen. »Aber so malt man heute nicht mehr, Meister Lukas«, wagt der Lehrling einen vorsichtigen Einwand. »Papperlapapp! Weibergewäsch! In meinem Haus wird gemacht, was ich sage! Und ich sage: Was sich bewährt hat, das soll man nicht ändern! Stereometrie und Perspektive wirst du üben, bis ich zufrieden bin. Hast du verstanden?«
    »Ja!« Der Lehrling nickt ergeben, doch sein Blick verrät, dass allein die Autorität

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