Der Maler Gottes
Höflichkeit und gutes Benehmen sind eine Zier, die Euch gut zu Gesicht stünde und auch Eurer Arbeit dienlich wäre.« Matthias schluckt. Er weiß um die Richtigkeit von Reizmanns Worten. Und doch widerstrebt es ihm, sich den hohen Herren anzubiedern. Aber gute Tischmanieren sind noch keine Anbiederung. Auch Riemenschneider empfahl ihm das Erlernen der höfischen Sitten, selbst Fyoll machte ihn einst auf deren Wichtigkeit aufmerksam. »Also gut«, brummt Matthias schließlich. »Zeigt mir, was ich noch beachten muss.«
Reizmann lächelt. »Ihr seid ein kluger Mann, Matthias. Wenn Ihr Eure Klugheit geschickt einzusetzen wisst, dann wird es Euch an Ruhm nicht mangeln.«
»Ruhm? Ich bin mir selbst nichts und fordere auch nicht, dass ich anderen etwas sein sollte«, erwidert Matthias mit einem Anflug von Trotz.
»Nicht für Euch, für Eure Werke müsst Ihr lernen.« Dann fährt Reizmann fort, die Tischregeln zu erläutern: »Bei Tisch wird nicht gekratzt und gespuckt, die Zähne werden nicht mit dem Messer gesäubert, die Finger während des Essens nicht abgeleckt, die Fleischknochen nicht mit Fingernägeln oder Zähnen abgenagt. Und denkt daran, die Knochen unter den Tisch nahe Euren Füßen zu werfen, damit Ihr andere nicht verletzt!« Aufmerksam hört Matthias zu, bemüht sich, allen Anweisungen des Stiftsherrn zu folgen. Einmal dazwischen fragt er doch: »Warum macht Ihr Euch die Mühe mit mir?«
Reizmanns Lächeln scheint auf seinem Gesicht erstarrt zu sein. Er sieht Matthias mit tiefem Blick an und erwidert langsam und mit leiser Stimme: »Weil ich Euch liebe, Matthias.«
Er macht eine kleine Pause und lässt seine Blicke über die Schultern und den Brustkorb des Malers gleiten. Unbehaglich wird Matthias unter diesem Blick, den er nicht deuten kann. Unbehaglich, so dass er die Augen senkt und sie erst wieder hebt, als Heinrich Reizmann hinzufügt: »Ich liebe Euch wie einen Bruder, Matthias.«
Befangen betritt Matthias am nächsten Abend an der Seite von Heinrich Reizmann den Festsaal. Überall prunken kostbare Leuchter mit echten Wachskerzen, Aromaöle verströmen schwere Düfte, die mit den Gerüchen der Speisen wetteifern. Blumen sind auf den Boden gestreut, einige Spielleute musizieren in einer Ecke des riesigen Saals, im Kamin lodern die Flammen, und überall aufgestellte Kohlebecken sorgen für eine angenehme Wärme. Johann von Cronberg eilt Matthias entgegen, reicht ihm freundlich die Hand zum Kuss und führt ihn zur Tafel.
»Einen Augenblick der Aufmerksamkeit erbitt ich, Ihr Herren«, dröhnt er über das Stimmengemurmel hinweg. »Ich möchte Euch den Maler und Bildschnitzer Matthias aus Grünberg vorstellen. Er war es, der die Verspottung Christi für meine Schwester Apollonia so trefflich gemalt hat.«
Die versammelten Herren blicken auf, schenken Matthias freundliche Blicke und wenden sich dann wieder ihren Gesprächen zu.
Johann von Cronberg weist dem Maler einen Platz neben einem Herrn in der Tracht des Deutschherrenordens zu.
»Walter von Cronberg«, stellt der Viztum vor. »Ein Anverwandter aus Frankfurt, der um Eure Bekanntschaft bat.«
Unsicher nimmt Matthias neben dem hohen Herrn Platz, von dem er gehört hat, dass er wohl demnächst zum Hochmeister des Deutschherrenordens, einer überaus einflussreichen Stellung, gekürt werden wird. Doch Matthias’ Unsicherheit ist bald geschwunden. Walter von Cronberg ist ein umgänglicher Mann. Schon bald sind die beiden in ein Gespräch über die Malerei verstrickt, so dass Matthias kaum bemerkt, welche Köstlichkeiten er dabei isst. Es gibt in Schmalz gebackene kleine Vögel, Hühnerfleisch, in Mandelmilch und Speck gebraten, ein grün gefärbtes Spanferkel, seltenes Obst und einen mit Gold verzierten riesigen Hirschbraten. Auch der Wein fließt in Strömen: Riesling aus dem Elsass, Frankenwein, Roter aus Rheinhessen und sogar Wein aus dem fernen Italien wird gereicht. Die Herren ringsum reden über Geschäfte, über Politik. Einer unter ihnen, ein auffallend reich gekleideter Patrizier, tut sich besonders hervor.
Walter von Cronberg bemerkt, dass Matthias’ Blick interessiert auf dem Patrizier ruht.
»Schaut ihn Euch gut an, den Jakob Heller aus Frankfurt«, raunt er dem Maler zu. »Er gehört zu den reichsten Männern der Messestadt. Als Stifter hat er einen großen Namen, versieht die besten Künstler des Landes mit Aufträgen. Zurzeit malt sogar der Nürnberger Albrecht Dürer einen Altar für ihn.«
Jakob Heller hat gehört, dass über
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