Der Maler Gottes
Arbeit zu betrachten. So leise betritt er die Werkstatt, die er für Matthias angemietet hat, dass dieser ihn nicht hört. Heller betrachtet das Bild, schirmt gar mit der Hand die Augen vor dem leuchtenden Blau des Himmels mit einer hellen Wolke im Vordergrund, in der Moses und Elias erscheinen, davor knien sämtliche Apostel. »Zu beneiden seid Ihr, Meister Matthias, zu beneiden um Eure Freiheit, Eure Unabhängigkeit«, sagt er, und Matthias fährt erschrocken herum.
»Zu beneiden? Warum zu beneiden? Ich bin ein Diener meiner Eingebung, nicht Herr meines Willens.« Heller stutzt. Sein Gesicht verfinstert sich. »Diener Eurer Eingebung? Oh, nein! Mein Diener seid Ihr, Matthias! Die Möglichkeit Eures Tuns habe ich geschaffen. Ich gab den Auftrag, gebe das Geld, die Farben, sorge für Euer Auskommen. Und was verlange ich dafür? Ein Bild, ein einziges Bild nur.«
»Nein, Herr, Ihr verlangt mehr als ein Bild. Ihr erhofft Euch Unsterblichkeit oder zumindest die Reinwaschung aller Erdenschuld.«
»Schweigt!«, schreit Heller. »Glaubt Ihr, ich habe das Geld für Euch auf der Straße gefunden? Jeder dient dem Herrn auf seine Weise. Als meine Aufgabe sehe ich es, dem Herrn ein Bild zu schenken, ein Abbild seiner Größe und Erhabenheit.«
»Nein!«, widerspricht Matthias. Er weiß, dass er mit seinen nächsten Worten Heller verärgern wird, doch er kann sie nicht zurückhalten. Die Sicherheit des Patriziers, alles und jeden kaufen zu können, reizt ihn bis aufs Blut. »Nein!«, wiederholt er. »Ihr gebt Geld, aber nur ich habe die Mittel, Eurem Geld einen Sinn zu geben.« Matthias duckt sich in Erwartung eines Ausbruchs, doch Heller stutzt einen Augenblick, dann lacht er dröhnend, haut Matthias auf die Schulter, dass der Maler zusammenknickt, und sagt: »Gehört habe ich schon, dass Ihr hochfahrend seid, doch wollte ich es nicht glauben. Wer seid Ihr, dass Ihr einem Mann wie mir ins Wort redet und meine Taten bezweifelt? Mutig nenne ich Euch, Matthias aus Grünberg. Und den Mutigen gehört die Welt.«
Mutig, denkt Matthias. Mutig nennt er mich, und Ratgeb hat mich verhalten der Feigheit bezichtigt. Doch es ist mir gleichgültig, was ich in wessen Augen bin. Ich bin mir nichts und verlange auch nicht, den anderen etwas zu sein.
Erinnert er sich, dass er diesen Satz so ähnlich in Aschaffenburg zu Reizmann gesagt hat? Und erinnert er sich auch an Reizmanns Antwort: »Nicht für Euch, für Eure Werke«.
Nein, in diesem Moment denkt er nicht daran. Und ganz und gar vergisst er den Satz, als er sich endlich doch vor die Tore der Stadt zur Mühle begibt.
Der Müller erkennt in Matthias nicht den unbeholfenen Bauernjungen, der vor sieben Jahren hier zum ersten Mal geklopft hat. Wie sollte er auch? Matthias hat sich verändert, auch äußerlich. Seine Kleidung erinnert nicht mehr an seine Herkunft. Wie ein Herr sieht er aus in seinem Samtwams, den ledernen Stiefeln und der goldenen Umhangspange, die er von Jakob Heller geschenkt bekommen hat.
»Was will der Herr von Magdalena?«, fragt er ehrerbietig. »Ein neues Frauenzimmer ist da. Blutjung, erst wenige Wochen bei mir. Anschmiegsam und zärtlich, ganz wie der Herr es möchte.«
»Ich will kein Weib von Euch, Müller. Wissen will ich, wo Magdalena zu finden ist. Los, gebt Auskunft. Und zwar schnell.«
Über ein Jahr ist es her, dass Matthias nach Frankfurt zurückgekehrt ist, über ein Jahr hat er gewartet, ehe er den Weg zu Magdalena findet. Nun aber kann es ihm nicht schnell genug gehen.
Der Müller ziert sich einen Augenblick und schaut begehrlich auf die lederne Börse, die Matthias an seinem Gürtel trägt. Matthias versteht, nimmt ein Geldstück und wirft es dem Müller zu. »Na, wisst Ihr jetzt, wo ich sie finde?«
»Beim Maitanz wird sie sein. Im nächsten Dorf, in Vilbel. Hat dort ein neues Auskommen gefunden.« Wenig später steht Matthias am Rande des Dorfangers in Vilbel und sieht den Leuten beim Maitanz zu. Die Dorfmädchen haben ihre Kleider mit bunten Bändern geschmückt und sich Blumenkränze ins Haar geflochten. Mit geröteten Wangen schwingen sie am Arm der Burschen umher, während die Alten am Rande auf Bänken sitzen und das Geschehen mit Wohlwollen oder vielleicht auch Neid betrachten.
Schon kommt eine Maid auf Matthias zu, fasst ihn bei der Hand und will ihn zum Tanz ziehen. Matthias zögert, doch dann lacht er das Mädchen an und geht mit. Beim Tanzen hält er Ausschau nach Magdalena. Endlich sieht er sie.
Magdalena schreitet am Arm eines
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